Das teuerste Antidepressivum verordnen
Antidepressiva wirken alle gleich … gut. Es gibt keine Substanz, die „schneller wirkt“ „bei mehr Leuten wirkt“ oder „keine Nebenwirkungen hat“.
Die 17 meistverkauften Antidepressiva in Deutschland. Sortiert nach dem Preis der täglichen Dosis. Cymbalta von Eli Lilly ist 18mal so teuer, wie die günstigsten Antidepressiva, obwohl das Medikament nachweislich nicht besser wirkt als die deutlich günstigere Konkurrenz. Die oberen Balken beschreiben den Preis, die unteren Balken den Marktanteil in Prozent in Bezug auf den Gesamt Antidepressiva-Markt in Deutschland. Quelle für Preise und Marktanteile: Arzneiverordnungs-Report 2014.
Preis in € | Name/Wirkstoff | Marktanteil in % |
3,03 | Cymbalta/Duloxetin | 4,14 |
1,80 | Valdoxan/Agomelatin | 1,91 |
1,58 | Tianeurax | 0,10 |
1,23 | Trazodon | 0,21 |
1,16 | Escitalopram | 3,41 |
0,96 | Bupropion | 1,44 |
0,65 | Imipramin/Trimipramin | 3,10 |
0,50 | Lithium | 1,62 |
0,46 | Doxepin | 3,67 |
0,45 | Mirtazapin | 12,73 |
0,43 | Venlafaxin | 12,37 |
0,39 | Amitriptylin | 7,55 |
0,39 | Opipramol | 6,16 |
0,28 | Sertralin | 7,32 |
0,24 | Citalopram | 25,43 |
0,24 | Paroxetin | 3,54 |
0,23 | Fluoxetin | 4,31 |
Richard Smith, der ehemalige Mitherausgeber des BMJ, beschrieb einmal, wie subtil die Stimmungsmache der Pharmafirmen gelingt: „Meine Frau und ich wurden in einem noblen Hotel untergebracht, auf Kosten der Firma, und sehr gut behandelt“ Quelle. Hinterher ist es ihm schwer gefallen, böse Worte über den Hersteller zu veröffentlichen.
Antidepressiva wirken zwar alle gleich, haben jedoch sehr unterschiedliche Preise und kosten pro Tagesdosis zwischen 0,17 Euro und 3 Euro.
Cymbalta (Duloxan) ist das teuerste Präparat und kostet 18mal so viel wie die günstigsten Präparate. Womit rechtfertigt die Firma Eli Lilly diesen hohen Preis und warum wählen so viele Psychiater dieses Präparat aus?
Depression-heute hat sich den Markt der Antidepressiva in Deutschland angesehen. In einer Tabelle haben wir die 17 am häufigsten verschriebenen Wirkstoffe verglichen.
Auf Platz 15 findet sich der in Deutschland am häufigsten verschriebene antidepressive Wirkstoff: Citalopram. Jedes vierte AD-Rezept ist ein Citalopram-Rezept. Seit dem Auslaufen des Patents im Jahr 2002 ist der Preis rapide gesunken und es gibt mittlerweile Citalopram Anbieter, die nur 0,17 Euro pro Tagesdosis veranschlagen (z. B. Citalopram-biomo).
Das im Jahr 2004 eingeführte Cymbalta kostet 18mal so viel. Aber ist es 18mal so gut? Immerhin bürden die Psychiater die Kosten von Cymbalta den Krankenkassen auf, die eine Solidargemeinschaft bilden, da jeder Versicherte Anspruch auf die gleichen Leistungen hat.
Also stellt sich die Frage: Haben Psychiater Zugang zu besseren Informationen? Nein, die aktuelle Fachinformationen Wirkstoff Aktuell 03/2009 schreibt über Cymbalta und dessen Wirkstoff Duloxetin:
„Duloxetin ist kein Mittel der ersten Wahl bei der Akutbehandlung depressiver Erkrankungen. Es gibt keinen sicheren Beleg für einen Behandlungsvorteil von Duloxetin gegenüber kostengünstigeren Nichtselektiven Monoamin-Rückaufnahmeinhibitoren (auch tri- und tetrazyklische Antidepressiva genannt) und Selektiven Serotonin-Rückaufnahmeinhibitoren.“ Quelle
In mehreren Studien wurde demnach Duloxetin mit Paroxetin, Escitalopram und Fluoxetin verglichen und es wurde kein Wirksamkeitsunterschied gefunden. Cipriani et al. fanden sogar mehr Nebenwirkungen als bei Vergleichspräparaten.
Aber warum verschreiben so viele Psychiater dieses überteuerte Mittel? Etwa weil die Pharmareferenten von Eli Lilly erzählen, dass Cymbalta eine schmerzlindernde Funktion hat? Aber warum haben dann die Patienten, bei denen Forscher, die schmerzlindernde Funktion überprüfen wollten, nichts davon bemerkt? (Spielmans, Hegerl, Cipriani).
Oder könnte ein anderer Grund vorliegen?
Ist es möglich, dass ein niedergelassener Psychiater korrupt ist?
Aber nein, das ist unmöglich. Selbst wenn Psychiater, die in eigener Praxis praktizieren, den Wunsch hätten korrupt zu sein … sie könnten gar nicht. Das lässt unser Rechtssystem nicht zu. Das ist kein Witz.
Stellen Sie sich bitte einmal dieses Gedankenexperiment vor:
Einmal im Quartal kommt eine hübsche Referentin von Ratiopharm vorbei und überreicht dem niedergelassenen Psychiater einen Barscheck über 1.500 Euro.
Auf diese Weise kommen insgesamt 10.641 Euro zusammen und die Schecks werden „offiziell“ als Honorare für Vorträge ausgezeichnet, die der Psychiater natürlich nie gehalten hat.
Inoffiziell hat er das Geld als Prämie im Rahmen des „Verordnungsmanagement“ des Pharmaherstellers erhalten. Die 10.641 Euro entsprechen 5 Prozent des Herstellerabgabepreises entsprechend der vom Arzt verordneten Menge des Medikaments.
Falls Sie jetzt glauben, dass ein Arzt, der ohne Gegenleistung von einem Pharmaunternehmen 10.641 Euro angenommen hat … korrupt ist … dann wird Sie das folgende Urteil überraschen:
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshof hat am 22. Juni 2012 entschieden, dass ein niedergelassener Arzt sich im Prinzip sogar seine ganze Praxiseinrichtung, seine Miete und seine Mitarbeiter von einem Pharmakonzern finanzieren lassen kann. Es wäre sogar rechtlich unbedenklich, wenn der Arzt im Gegenzug ausschließlich ein spezielles, überteuertes Medikament verschreiben würde. Weil ein niedergelassener Arzt kein Amtsträger der Krankenkassen ist. Ein Arzt in eigener Praxis ist nicht angestellt und auch kein Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Deshalb, so argumentierten die Karlsruher Richter kann er gar nicht korrupt sein. Selbst wenn er sich für sein Verhalten schämen würde und um eine Verurteilung betteln würde. Die rechtliche Situation lässt es nicht zu.
Der Bundesgerichtshof hob damit ein Urteil des Landesgerichtshof Hamburg auf, das genau diesen Arzt wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB zu einer Strafe von 90 Tagessätzen a 300 Euro verurteilt hatte.
Übrigens dürfen auch angestellte Ärzte hohe Zuwendungen der Pharmaindustrie annehmen. Sie müssen es nur ihrem Arbeitgeber mitteilen. Professor Klaus Lieb berichtet in Jörg Blechs Buch Die Psychofalle, dass er als angestellter Arzt jedes Jahr 10.000 Euro von der Pharmaindustrie dazu verdient hat. Eine Firma zahlte ihm sogar eine Japan-Reise. Mittlerweile nimmt Lieb keine Geschenke der Industrie an und duldet sie auch nicht in der von ihm geführten Klinik. Er hält es für beschämend, dass sich so viele Mediziner vor dem offensichtlichen Missbrauch des Patientenvertrauens blind stellen. Lieb beklagt, dass die hohen Zuwendungen an die Ärzte, zu denen er Vortragshonorare und Reisen zählt, von den Pharmafirmen als Marketingausgaben ausgezeichnet werden. Diese Ausgaben werden dann später über den deutlich erhöhten Medikamentenpreise erwirtschaftet, den letzten Endes der Patient zahlt – ohne, dass der Patient davon einen Vorteil hat. Leider sind die strengen Leitlinien der Mainzer Klinik die große Ausnahme in der normalen psychiatrischen Versorgung.
Depression-Heute: Eli Lilly, der Hersteller von Cymbalta hat vor Ablauf der Patentschutzfrist im August 2014 die Preise für Cymbalta um 15 Prozent erhöht, um noch mal richtig Kasse zu machen. Anstatt das Medikament deshalb weniger häufig zu verschreiben, zeigte sich eine Zunahme des Verschreibungsvolumens um 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aber geht das denn noch mit rechten Dingen zu? Die Rechtslage ist eindeutig. Wenn ein niedergelassener Arzt ein Medikament verschreibt, das 18mal so teuer ist, wie ein gleichwirksames Medikament und wenn er sich diese Verschreibungspraxis von dem Pharmaunternehmen sogar „bar“ bezahlen lässt … dann ist er nicht korrupt. Obwohl sich durch die Verschreibung eines Vergleichspräparats (a 0,34 Cent) 144,5 Millionen Euro einsparen ließen. Die aktuelle Rechtslage begünstigt ein Verschreiben überteuerter Medikamente zuungunsten der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen. Es erscheint ungerecht, dass ein Arzt mit eigener Praxis so wenig Chancen hat, wegen Korruption verurteilt zu werden. UPDATE: Seit Juni 2016 ist Korruption im Gesundheitswesen in Deutschland strafbar.
Sehr geehrter Herr Dr. Peter Ansari
Falls Sie es noch nicht erfahren habe, was ich aber nicht glaube, hier die Recherchen des Correctiv.org vom Januar 2021. zum Thema Pharmagelder und Ärzte. Ich danke Ihnen für den Mut und Energie uns leidenden zu informieren. Leider habe ich Ihre und von anderen Whistleblowern veröffentlichte Berichte zu spät entdeckt. Nun weiss ich gar nicht ob ich den Schaden heil überstehen werde. Ich bin verzweifelt. Aber ich habe unten die Schlagzeile gepostet von Correctiv.
https://correctiv.org/aktuelles/2021/01/14/euros-fuer-aerzte-datenbank-beendet/?q=&country=CH
„Euros für Ärzte“-Datenbank beendet
Unsere Recherche „Euros für Ärzte“ löste eine wichtige Debatte über die Verflechtungen zwischen Ärzteschaft und Pharmaindustrie aus. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Spiegel stellen wir die Datenbank jetzt ein.