Wird das Stigma von der Dauer-Medikation verursacht?

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Jugendliche in Gummizelle

Viele Menschen reden nicht über eine vergangene depressive Episode, weil sie befürchten, nach einem „Outing“ gesellschaftlich nicht mehr ernst genommen zu werden.

stigma

Viele Patienten leiden unter den Nebenwirkungen der Medikamente. Sie sind anfälliger für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und häufig schneller erschöpft, als ohne Medikamente.

 Basiert das Stigma Depression in weiten Teilen auf den Nebenwirkungen der Medikamente?

Heute gelten Depressionen als schwere, wenn nicht gar schwerste Erkrankung überhaupt, die eine dauerhafte, häufig sogar lebenslange Medikamenteneinnahme erfordert.

Viele Betroffene berichten, dass ihnen die Medikamente helfen. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Frühberentung nach der Diagnose Depression und der Behandlung nach der heute gültigen Standardtherapie – also mit Antidepressiva – erhöht ist.

Wer heute in der Öffentlichkeit berichtet, dass er unter Depressionen leidet, erklärt fast selbstverständlich, dass er dagegen Antidepressiva einnimmt. – Denn sonst würde er unverantwortlich mit seiner Erkrankung umgehen.

In den späten Fünfzigern/ frühen Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts zeigten mehrere Studien gezeigt, dass gesunde Menschen, die Antidepressiva einnahmen, nur noch eingeschränkt arbeitsfähig waren.

Das Märchen der „besser verträglichen modernen Antidepressiva“ endete im Jahr 2004. Damals zeigte die Veröffentlichung von Zulassungsstudien der neueren Antidepressiva gezeigt, dass diese Mittel keineswegs nebenwirkungsärmer sind, als die alten Mittel.

Bei den alten Mitteln herrschte bis 1990 – also 33 Jahre lang – ein wissenschaftlicher Konsens der besagte, dass man sie nicht dauerhaft einnehmen sollte.  

Früher konnte man Menschen, die eine depressive Episode durchlitten hatten und anschließend wieder gesundet waren – nicht von anderen gesunden Menschen unterscheiden.

Damals galt die Erkenntnis, dass von einer depressiven Erkrankung nichts und zwar überhaupt nichts zurückbleibt und nach dem Abklingen der Depression die alte Persönlichkeit unverändert wieder zum Vorschein kommt. Ähnlich einer Blume, die sich abends verschließt und morgens wieder öffnet.

Heute scheinen für viele Menschen die Tabletten, mit ihren Nebenwirkungen, dauerhaft erkrankt zu bleiben. 

Depression-Heute: Die Beste Methode, um das Stigma zu durchbrechen, besteht darin gesunde Phasen als gesunde Phasen aufzufassen und sich nicht chronisch krank machen zu lassen.

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2 Comments

  1. Ich weiß zwar jetzt nicht wie aktuell der Artikel hier noch ist ?
    Aber ich habe selber, leider, Jahrzehnte lange Erfahrung mit Antidepressiva sammeln dürfen, kein Arzt den ich bis dato hatte, hat entsprechend der Leitlinien gehandelt, sprich das Antidepressiva erstmal nur 6 bis 12 Monate verordnet.
    Mir wurde mehr oder minder damals, da war ich gerade Mal 19 Jahre alt, nun bin ich 37, signalisiert das ich ein Antidepressiva bis in alle Ewigkeit nehmen müssen, weil ja depressiv und da müsste ich das halt.
    Vor der Behandlung ging es mir natürlich schlecht, am Anfang der Antidepressiva Behandlung erstmal gut, nach über 8 Monaten schlug das allerdings um.
    Die Nebenwirkungen waren nicht mehr ohne, an einen Auslass Versuch wurde nie gedacht und so wurde dann Medikament für Medikament ausgetauscht.
    Mit ging es dann von Jahr zu Jahr schlechter, Freunde wandet sich ab, da ich mich verändert habe, was mir auch auffiel, desto mehr Medikamente oder höher dosiert das ganze wurde, desto schlimmer wurde alles.
    Liegt an der Krankheit, hört man dann immer als Patient, absetzen kann man zwar versuchen, nur hält sich der Arzt dann meistens raus oder unterstützt einen nicht wirklich oder nimmt das Vorhaben nicht ernst.

    Und wenn das ganze dann zu schnell geht und man Absetzsymptome bekommt, liegt das wieder, angeblich, nur an der Krankheit.
    Und alle Nebenwirkungen die man durch diese Medikamente hat, werden ebenso abgetan und zur „Krankheit“ gezählt und als „Symptom Verschlechterung“ betitelt.
    Fataler Weise bekommt man bei SSRI meistens noch ein Antipsychotika dazu, zum schlafen, welcher durch die ssri von nun an dauerhaft gestört ist, welches wiederum selber massive Nebenwirkungen auslöst, alte Nebenwirkungen verstärkt, Gefühle noch mehr abflachen lässt usw.

    Bis ich mich dann Mal richtig mit der Thematik Psychopharmaka auseinander gesetzt habe, waren schon 10 Jahre vergangen und ich seit der Zeit dauerhaft krank geschrieben.
    Nicht aber, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, wegen der Depression, sondern wegen der völligen emotionalen verflachung, Gleichgültigkeit, Sedierung usw durch die Antidepressiva!
    Nur leider führte das absetzten dann zu solch massiven absetzt/Entzugssymptomen und schlussendlich zum Rebound, so das ich, trotz des besseren Gefühlserleben, wieder, niedrig dosiert, zum Antidepressiva greifen musste, bis heute, mit all den Nebenwirkungen.
    Kann dem Artikel daher nur zustimmen.

    1. Vielen Dank für Ihren sehr persönlichen Beitrag. Ich wünsche mir, dass auch viele verschreibende Ärzte die Kommentare in diesem Blog lesen, damit diese leichtfertige dauerhafte Verschreibungspraxis endlich aufhört. Liebe Grüße Dr. Ansari

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