Versorgungsstudie in den USA: Antidepressiva über zwei Jahre nicht besser als keine Medikamente

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Jeden Tag Antidepressiva essen. Die Autoren der Studie sagen: Das macht doch nichts.

Eine große Versorgungsstudie mit Daten von 17 Millionen Amerikanern im Fachjournal PLOS One kommt zu dem Schluss:

  • Patienten, die zwei Jahre lang Antidepressiva einnahmen, zeigten kein verbessertes Outcome im Vergleich zu unmedikamentierten Patienten.
  • Patienten, die nach einer überstandenen Depression, keine dauerhafte medikamentöse antidepressive Therapie einnahmen geht es genauso gut, wie denjenigen, die keine Medikamente dauerhaft einnehmen.

Für die Auswertung wurden Daten einer repräsentativen Gesundheitsbefragung genutzt. Die Lebensqualität wurde anhand von 12 Fragen bestimmt.

Kritiker von Antidepressiva haben das Ergebnis aufgegriffen, da es zeigt: Eine Dauerverschreibung von Antidepressiva ist für den betreffenden Menschen gar nicht hilfreich. Das schreibt zum Beispiel Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung

Aus unserer Sicht ist das zu kurz gegriffen. Das wirkliche Problem wird nicht thematisiert.

Denn die Studie erweckt den Eindruck: Zwei Jahre lang Antidepressiva bringt zwar nichts, aber genauso wenig gibt es einen Schaden und die Lebensqualität wird durch die Medikamente vielleicht sogar etwas verbessert.

Das Ergebnis der Studie ist dadurch ein Freispruch für alle Ärzte, die Antidepressiva zu leichtfertig und fast ohne Beratung verschreiben – denn die Kernaussage ist: Das macht doch gar nichts. Die Verschreibung schadet ja nicht.

Jeden Tag Antidepressiva essen. Die Autoren der Studie sagen: Das macht doch nichts.
Jeden Tag Antidepressiva essen? Die Autoren der Studie sagen: Das macht doch gar nichts.

Für Depression-Heute ist das eine unfassbare Verhöhnung des Leids von dauermedikamentierten Patienten.

Aus Gesprächen mit Patienten erfahren wir ganz andere Fakten, die die Lebensqualität der Menschen stark beeinträchtigen:

  • Sexuelle Funktionsstörungen, die auch nach dem Absetzen anhalten
  • Gewichtszunahme, die das Selbstwertgefühl stark herabsetzt
  • Herzprobleme, die dazu führen, dass behandelnde Ärzte empfehlen, die Medikamente sehr plötzlich abzusetzen (was weitere, sehr schwere Probleme verursachen kann)
  • Bewegungsunruhe
  • emotionale Taubheit
  • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (oder sogar Vergiftungen durch Psychopharmaka)
  • dauerhafte Verdauungsbeschwerden oder Übelkeit
  • Schwindelgefühle
  • Verzweiflung über fehlgeschlagene Versuche, die Medikamente abzusetzen

sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Tal der Schmerzen einer dauerhaften Antidepressiva-Behandlung.

Das ist nicht nur ärgerlich, sondern vermeidbar, da der Nutzen einer dauerhaften Antidepressiva-Behandlung nach wie vor nur behauptet wird und keinesfalls unabhängig und evidenzbasiert bewiesen ist (sonst würde der „Vorteil“ einer Dauertherapie im Beipackzettel der Medikamente aufgeführt werden – was bekanntlich nicht der Fall ist).

Es ist wirklich sehr traurig, dass auch nach so vielen Jahren Patienten, immer noch nicht vor einer Dauermedikation gewarnt werden und diejenigen Patienten, die von den Medikamenten abhängig geworden sind keine Stimme erhalten.

Ihr Leid wird verschwiegen und wenn sie die Tabletten absetzen möchten, werden sie nach wie vor alleine gelassen und erhalten keinerlei therapeutische Hilfe.

Und das schlimmste ist natürlich: Es wird noch nicht mal angedeutet, dass nach zwei Jahren Antidepressiva-Therapie möglicherweise viele Patienten davon abhängig geworden sind.

Depression-Heute empfiehlt: Hilfreich wären Berichte die dazu führen, dass Ärzte vor einer Verschreibung auf das Abhängigkeitspotenzial dieser Substanzen hinweisen.

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