Raus aus der Psychiatrie – Erkenne Dich selbst!

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Mein Pseudonym ist Sonnenblume, ich bin 46 Jahre jung und lebe seit 2 Jahren in einer Wohnstätte für psychisch kranke Menschen.

Im Dezember 2019 bin ich erstmalig an einer Depression erkrankt, mit 41 Jahren. Zuvor hatte ich nie psychische Probleme und nahm keine Medikamente. Mein Leben war wunderschön, ich hatte einen tollen Job, lebte mit meinem Sohn zusammen und war glücklich. Dann kam im Dezember der totale Zusammenbruch. Ich erlitt einen Nervenzusammenbruch von jetzt auf gleich und konnte nicht mehr arbeiten. Die Auslöser dafür sind mir bekannt.

Meine Hausärztin verschrieb mir ein Antidepressivum, wovon ich nach eimonatiger Einnahme quälende Suizid-Gedanken entwickelte. Nach dem darauffolgenden Suizid-Versuch wurde ich im Januar 2020 das erste Mal auf eine geschlossene Station der Psychiatrie eingeliefert. Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Nacht dort. Ich hatte Angst vor meiner Zimmernachbarin und fühlte mich falsch am Platz. Am nächsten Tag verließ ich auf eigenen Wunsch die Klinik, ich wollte nur noch weg. Ich wusste nicht wohin, versuchte, eine Psychotherapie zu bekommen, es war aussichtslos, die Wartezeit betrug damals Monate.

Auf Wunsch von Angehörigen ließ ich mich einen Tag später wieder in die Psychiatrie aufnehmen, diesmal optimistisch, dass die Therapie mir helfen würde.

Man verabreichte mir in der Klinik zuerst Tavor. Dann kamen die unterschiedlichsten Medikamente hinzu, ohne jegliche Aufklärung über Wirkung und Nebenwirkungen.

Die Ärzte der Psychiatrie haben alles an mir ausprobiert. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen und war überfordert mit dem Setting auf der geschlossenen Station. Therapieangebote waren eher rar und man musste sich auf einer Warteliste eintragen, um überhaupt an einer Therapie teilnehmen zu können. Plötzlich saß ich in der Psycho-Education für Schizophrenie, ohne zu wissen, was das überhaupt bedeutet. Ich hatte in der Klinik eine Schizophrenie entwickelt und litt unter Halluzinationen. Da laut Ärzte kein Medikament richtig angeschlagen hatte, entschied ich mich, für eine Elektrische Krampfbehandlung (EKT), aus heutiger Sicht eine absolute Fehlentscheidung. Für mich war es der letzte Strohhalm, da ich ab April 2020 wieder zurück ins Berufsleben wollte, zurück an meinen geliebten Arbeitsplatz. Das funktionierte nach der EKT überhaupt nicht. Ich litt unter starkem Gedächtnisverlust und fühlte mich körperlich schwach. Die Wiedereingliederung im April scheiterte. Ich hatte meine mentale Stärke verloren und litt unter den Nebenwirkungen der Medikamente. Ich war nicht in der Lage zu arbeiten. Hinzu kam, dass ich nach der Entlassung aus der Klinik meine Medikamente nicht immer regelmäßig nahm, wenn ich es nicht in die Ambulanz geschafft hatte. Ich erlitt einen psychischen Zustand, in dem es mir nicht möglich war, meine Wohnung zu verlassen. Ich vernachlässigte mich, vergaß zu essen und trank ab und zu Alkohol.

Nach der gescheiterten Wiedereingliederung wurde ich zum Drehtürpatienten. Insgesamt hatte ich 15 Klinikaufenthalte in den Jahren 2020-2023, immer wieder rein und raus, ohne Verbesserung. Tatsächlich verschlechterte sich mein Zustand eher.

In der Klinik bekam ich zuletzt 900 mg Quetiapin/Seroquel und 1,5 mg Tavor täglich. Vom Tavor bekam ich Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, veränderte Sinneswahrnehmungen und Schweißausbrüche. Ich war benommen, hatte Gleichgewichtsstörungen sowie eine eingeschränkte Reaktionsfähigkeit.

Weil die Quetiapinmenge so hoch war, wurde mein Zustand immer schlimmer.

Mit der Kombination aus Quetiapin und Tavor fühlte ich mich dauerhaft müde, hatte ständig Mundtrockenheit. Ich lief herum wie ein Zombie.

Im Juni 2020 verlor ich meine Freundin durch Suizid, nachdem sie aus der Klinik entlassen wurde. Danach ging es mir noch schlechter und ich wollte auch nicht mehr leben. Ich verbrachte dann die Jahre 2020, 2021 und 2022 bis Juni ständig in der Klinik.

Seit Juni 2022 lebe ich in einer Wohnstätte für psychisch kranke Menschen. Ich hatte alles verloren, meine Wohnung, meinen Job, meinen Sohn, meinen Freundeskreis.

Die Wohnstätte war meine Rettung, ich war nicht mehr in der Lage, alleine zu leben und mich zu versorgen. Hier bekam ich täglich 12 Tabletten verabreicht. Mir ging es immer noch sehr schlecht.

Im Mai 2023 beging mein Lebenspartner Suizid, mit dem ich ca. 1 Jahr zusammen war, er hatte an schwerer Schizophrenie gelitten. Zwei Tage später wurde ich wieder in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert. Ich litt unter schwersten Halluzinationen, Angstzuständen, Panikattacken und befand mich in tiefster Trauer und Einsamkeit. Wieder erhielt ich keine Hilfe in der Klinik, sondern nur noch mehr Medikamente. Escitalopram und Haloperidol kamen dazu, wovon es mir noch schlechter ging.

Nach 2 Monaten Klinikaufenthalt begann ich mich mit meiner Medikation zu beschäftigen und recherchierte viel dazu. Ich war in der Lage, alle Nebenwirkungen und Wechselwirkungen aufzuschreiben.

Dazu gehörten wie gesagt Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Müdigkeit, Blutdruckabfall, Benommenheit, Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit, Kopfschmerzen und eine sehr eingeschränkte Reaktionsfähigkeit. Quetiapin (Seroquel) ist ein Gefahr-Stoff und ein Blockbuster, der auf dem Pharma-Markt jährlich einen Umsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar generiert. Ich fühlte mich vergiftet.

Ich verfasste einen Brief an den Chefarzt der Station, mit der Aufforderung, an der Medikation etwas zu ändern, beziehungsweise auszuschleichen. Mir wurde klar, dass mein Leben so nicht weitergehen kann. Es sollte und musste sich dringend etwas ändern. Ich entwickelte ein Bewusstsein für meine Medikation und bat den Chefarzt, die 1,5 mg Tavor auszuschleichen, sowie das Quetiapin zu reduzieren.

In jeder Visite sprachen wir über das Thema ausschleichen und reduzieren.

Im Juli 2023 hielten die Ärzte mich für aus-therapiert. Ich sollte in eine geschlossene Wohnstätte ziehen und dort eine Zwangsmedikation erhalten. Ich bin ausgeflippt, als ich das hörte und habe mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Mein gesetzlicher Betreuer wurde eingeschaltet und es stand echt auf der Kippe. Zum Glück konnte ich den Chefarzt überzeugen, dass diese Maßnahmen nicht notwendig sind und er willigte endlich ein, die Medikamente zu reduzieren und neue Medikamente anzusetzen.

Zuerst wurde Tavor ausgeschlichen, was eine Höllenqual war. Ich hatte den ganzen Tag eine quälende Ruhelosigkeit und zwanghaften Bewegungsdrang, ich war unfähig still zu sitzen oder still zu stehen.

Dann wurde das Quetiapin von 900 mg auf 750 mg reduziert, auch hier erlebte ich schwere Entzugserscheinungen. Ich verlor innerhalb kürzester Zeit fast 30 kg Gewicht und wog dann nur noch 60 kg, was mich körperlich sehr geschwächt hat. Außerdem wurden zwei neue Medikamente angesetzt, Sertralin und Abilify (Aripiprazol).

Mit dieser Medikation wurde ich am 1. September 2023 aus der Klinik entlassen.

Ich habe seitdem nie wieder Tavor genommen. Quetiapin habe ich gemeinsam mit meiner Psychiaterin bis zum heutigen Zeitpunkt (Juli 2024) komplett ausgeschlichen. Leider habe ich wieder 30 kg zugenommen, aber Schönheit kommt von Innen.

Ich habe meine Schizophrenie besiegt, die Symptome der Depression sind seit September 2023 nicht mehr aufgetreten.

Ich bin auf dem Weg zurück in mein normales, vorheriges Leben. Ich fühle mich mental stark und ausgeglichen. Ich mache täglich Ergotherapie, befinde mich in einem sehr guten Austausch mit meiner Psychiaterin sowie Psychologin. Außerdem gehe ich einmal im Monat zur Existenzanalyse (nach Volker Frankl).

Ich habe meine Ernährung umgestellt, mache täglich Sport (Yoga, Laufen, Schwimmen). Zurzeit nehme ich 100 mg Sertralin und 15 mg Abilify. Mein Ziel ist es, bis Ende des Jahres medikamentenfrei zu sein.

Ich plane für das nächste Jahr eine Ausbildung zum Genesungsbegleiter (EX-IN). Noch bin ich in der Wohnstätte, für 2026 plane ich, wieder in einer eigenen Wohnung zu leben und arbeiten zu gehen. Jetzt bin ich 46 Jahre jung und habe es aus der Medikamentenabhängigkeit geschafft. Ich habe wieder neuen Lebensmut gefasst. Ich möchte Betroffenen helfen, sich selbst zu erkennen. Eigenverantwortung und Achtsamkeit stehen für mich an erster Stelle. Ich bin sehr glücklich.

Erkenne Dich selbst!

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