Seniorenheime und Antidepressiva – das stille Leiden der Älteren
In der vergangenen Woche stellte der AOK Bundesverband seinen Pflegereport vor. Einige Medien berichteten über die dauerhafte Verordnung von Neuroleptika bei Demenzerkrankten – die aus medizinischer Sicht nicht gerechtfertigt sind und den Menschen deshalb vorrangig schaden. Was die Berichterstatter jedoch übersahen war eine Folie von Petra Thürmann, die den Einsatz von Antidepressiva in Altenheimen thematisierte (Link). Demnach erhalten bis zu 33 Prozent der Bewohner Antidepressiva. Aber warum?
Jeder dritte Bewohner eines Altersheims erhält Antidepressiva als Dauermedikation. Glauben Ärzte, damit das Alter therapieren zu können? (Link zur AOK)
Etwa 800.000 Menschen in Deutschland leben in Pflegeheimen. Für die Auswertung der Studie wurden 841 Menschen in Pflegeheimen befragt. Bei der Verordnung von Antidepressiva machte es keinen Unterschied, ob die Menschen an einer Demenz litten oder nicht.
Jeder dritte Heimbewohner schluckt Antidepressiva.
Das ist ein Skandal. Denn eine medizinische Therapie muss mit einem therapeutischen Ziel verknüpft sein. Eine Depression ist ein medizinisches Krankheitsbild, das beschrieben ist und in seiner leichten Form bei etwa jedem 20. Menschen einmal im Leben auftritt. Es ist jedoch bekannt, dass bei leichten Formen keine Medikamente helfen, sondern die Erkrankung von alleine aufhört.
In den Pflegeheimen wird jedoch jeder dritte Bewohner mit den Tabletten behandelt.
Depression-Heute: Wissen Ärzte eigentlich, was sie verschreiben? Sind sie informiert darüber, dass diese Medikamente schwere Neben- und Wechselwirkungen haben und therapeutisch nur selten einen Erfolg erzielen. Oder geht es hier nicht um das Wissen, sondern um das Glauben? Also glauben die verschreibenden Ärzte, dass diese Mittel Glücksgefühle auslösen und dass die Älteren nach der Verschreibung feuchtfröhliche Bingo-Abende veranstalten? Doch selbst wenn ein Verordner so naiv ist – was tut er, wenn sich seine Vorstellung nicht realisiert? Setzt er das Medikament ab? Nein, er verordnet einfach weiter und weiter und weiter. Weil er gar nicht weiß, dass nach sechs Monaten viele Menschen von den Mitteln abhängig geworden sind und sie nicht mehr absetzen können, ohne dass es ihnen viel schlechter geht.
Es ist nicht nur eine große Ignoranz, die den Umgang mit älteren Menschen kennzeichnet, es ist auch eine unverantwortliche Medizin! Es gehört nicht sehr viel Einfühlungsvermögen dazu, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, der plötzlich in einem Pflegeheim leben muss. Natürlich ist dieser Mensch bedrückt! Aber er ist deshalb noch lange nicht depressiv. Die Diagnose Depression ist daran geknüpft ob die Stimmung noch schwingen kann oder erstarrt ist.
Aber selbst wenn eine ältere Person in einem Pflegeheim eine Depression erleidet, muss nach spätestens vier bis sechs Wochen die Medikation überprüft werden. Und wenn sich die Verstimmung nicht gebessert hat, muss die Medikation abgesetzt werden. Doch bei jedem dritten Bewohner passiert das nicht.
In grundsätzlicher Hinsicht ist zu fragen: Warum soll überhaupt versucht werden mit einer Medikation auf die gedrückte Stimmung einzuwirken? Hat man es nicht eindeutig mit einem Umzug, also mit einer Ursache und einem Umstand zu tun, den die Menschen lernen müssen zu bewältigen, aber bei denen man ihnen helfen kann?
Was sind das für Ärzte, die stattdessen einfach Medikamente verschreiben und glauben, die Situation gehe sie nichts weiter an. Die armen älteren Herrschaften. Sie sind vergessen und die Angehörigen glauben, solange ein Arzt entscheidet, wird es schon das Richtige sein.
Hoffentlich macht man das mit mir nicht, wenn ich alt und dement bin.