Befreiung: Mein Weg zur Medikamentenfreiheit

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Befreiung von Antidepressiva

Ein Gastbeitrag von Marie

Ich habe es nach 6 Jahren endlich geschafft, mein Antidepressivum Venlafaxin vollständig abzusetzen und möchte heute meine Geschichte mit Euch teilen, um Euch Mut zu machen! Ich weiß, dass es sich zuweilen so anfühlt, als würde der Albtraum nie enden und die Lebensfreude nie wieder zurückkehren. Die Verzweiflung und der Leidensdruck sind in manchen Phasen unerträglich groß und genau in diesen Zeiten braucht es ganz dringend die Ermutigung und den Zuspruch durch Andere. Möge meine Geschichte Euch zeigen, dass Heilung möglich ist und dass auch Ihr ein medikamentenfreies Leben erreichen könnt. Ich wünsche es Euch von Herzen und sende Euch ganz viel Kraft, Segen und Zuversicht! Hier folgt nun meine Geschichte:

Ich weiß noch wie heute, wie ich im Behandlungszimmer meines Psychiaters saß und dieser mir eröffnete, dass meine Depression offensichtlich endogen war und ich ein Leben lang auf Antidepressiva angewiesen sein würde. Ich unternahm gerade den zweiten Versuch, meine Medikamente abzusetzen, nachdem ich beim ersten Mal gescheitert war, und fühlte mich zutiefst verzweifelt. Ich spürte, wie sich der Boden unter mir öffnete und mich zu verschlingen drohte. In dem Zustand konnte ich dem Psychiater nicht viel entgegensetzen. Mit Tränen in den Augen gab ich dem Psychiater recht, dass es derzeit keine neuen oder aktuellen Gründe gab, traurig und verzweifelt zu sein. „Na sehen Sie, das zeigt doch, dass Sie ohne Medikamente nicht zurechtkommen.“ Den Rest des Termins erlebte ich wie in einem Trancezustand, als würde das Gesagte mich gar nicht betreffen. Ich nahm die Medikamentenverordnung schicksalsergeben entgegen und verließ die Praxis. Zu diesem Zeitpunkt nahm ich, abgesehen von einem ersten Absetzversuch, seit 5 Jahren Antidepressiva.

Mein erster Absetzversuch war ein knappes Jahr zuvor gescheitert und ich hatte die Einnahme meines Antidepressivums fortgesetzt, wenn auch nicht in der Dosierung, die der Psychiater empfohlen hatte, sondern in der geringstmöglichen Einstiegsdosierung. Zu groß waren meine Verzweiflung und meine Sehnsucht nach einer Verbesserung meines Zustands gewesen. Tatsächlich ging es mir relativ schnell wieder besser, aber ich war nicht bereit, meinen Kummer weiterhin mit Tabletten zu ersticken und startete einen erneuten Versuch, dieses Mal in sehr viel kleineren Absetzschritten. Als es mir nach der ersten Dosisreduktion wieder zunehmend schlechter ging, suchte ich ein letztes Mal meinen Psychiater auf und sprach die Absetzproblematik an, in der Hoffnung, Bestätigung und Ermutigung zu finden. Das Gegenteil war der Fall, aber seine Reaktion stieß etwas in mir an: Mein Kampfwille wurde angefeuert. Ich war nicht bereit, mich dem von ihm prophezeiten Schicksal zu ergeben. Ganz tief in mir drinnen spürte ich, dass mit der Aussage des Psychiaters etwas nicht stimmen konnte. Ich konnte und wollte nicht akzeptieren, dass mein seelisches Leid als unheilbar abgestempelt wurde und Medikamente die einzige Lösung sein sollten.

Befreiung von Antidepressiva
Befreiung bedeutet: Abhängigkeit von Antidepressiva oder anderen Psychopharmaka beenden (auf diesem Foto ist Marie nicht abgebildet).

Darüber hinaus wurde dieses Urteil von einem Mann gefällt, der während der wenigen, kurzen Termine gar nicht die Möglichkeit gehabt hatte, mich und meine Lebensgeschichte richtig kennenzulernen, und der sich auch nie die Mühe gemacht hatte, eine umfassende Anamnese durchzuführen. Dieser Mann sollte nun über mein weiteres Schicksal entscheiden? Ich entschloss mich, das Antidepressivum weiter schrittweise zu reduzieren und machte mich damit auf die lange und einsame Reise des Entzugs, ohne mir zu diesem Zeitpunkt darüber bewusst zu sein, welche Auswirkung diese Entscheidung auf die nächsten Jahre meines Lebens haben würde. Den Psychiater suchte ich nie wieder auf.

Begonnen hatte meine Depression mit Ende 20. Damals brach ein heftiger Konflikt in der Familie aus, der mein Welt- und Selbstbild auf den Kopf stellte. Ich hatte mein ganzes Leben lang geglaubt, aus einer einigermaßen heilen Familie zu kommen, und musste nun machtlos zuschauen, wie das gesamte Kartenhaus zusammenbrach und kein Stein auf dem anderen liegenblieb. Kontaktabbrüche, Zwietracht, Schuldzuweisungen, Missverständnisse, Vertrauensbrüche und bittere Wortgefechte zwischen allen Familienmitgliedern bestimmten fortan mein Leben und zogen mir den Boden unter den Füßen weg. Mein Lebenswille war zwar ungebrochen, aber ich verstand buchstäblich die Welt nicht mehr. Es fiel die Diagnose mittelschwere Depression. Als mir dann vom Hausarzt in Form eines Antidepressivums Linderung versprochen wurde, dachte ich in meiner Verzweiflung nicht lange darüber nach und begann umgehend die Einnahme des Präparats Paroxetin. Als die Psychotherapeutin anderthalb Jahre später die Einnahme eines stärkeren Mittels empfahl, nahm ich auch diesen Rettungsanker an und ließ mir vom Psychiater das Mittel Venlafaxin verschreiben, ein Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Nachdem auch das nicht ausreichend wirkte, wurde die Dosierung verdoppelt. Ich tat jedes Mal wie geheißen, in der Hoffnung, dass mir endlich geholfen werden konnte. Niemand klärte mich über mögliche Nebenwirkungen auf, niemand sprach mit mir über mögliche Probleme beim Absetzen.

Das Hauptziel der Behandlung wurde durch die hohe Dosis von Venlafaxin erreicht. Die tiefe Traurigkeit und die große Verzweiflung wichen schließlich. Jahrelang suchte ich eine Psychotherapeutin auf, reflektierte meine Familiengeschichte, veränderte meine Denk- und Verhaltensmuster und erlangte ein Mindestmaß an psychischer Stabilität, um mein Leben bestreiten zu können. Aus Sicht der Ärzte und Therapeuten hatten sie also alles richtig gemacht. Allerdings stand in dieser Bilanz nicht der hohe Preis, den ich dafür zahlte. Ich bekam durch die Einnahme des Antidepressivums eine Reihe von unangenehmen Nebenwirkungen. Mein Mund war extrem trocken und fühlte sich ständig so an, als wäre ich am Verdursten. Ich legte an Gewicht zu und konnte keinen Orgasmus mehr bekommen. Ich fühlte mich permanent wie betäubt und unfähig, wahre, authentische Gefühle zu empfinden. Als mein Vater schwer erkrankte und verstarb, fiel es mir schwer, zu weinen. Ich war so stark von meinen Gefühlen abgeschnitten, dass ich keine Tränen vergießen konnte. Ich war vielleicht nicht mehr depressiv, aber dafür war ich auch nicht mehr ich selbst. Ich hatte den Kontakt zu meinen eigenen Gefühlen und Empfindungen verloren.

Ich kann mich noch genau erinnern, wie diese bei meinen ersten Absetzversuchen mit einer ungeahnten Wucht zurückkehrten. Ich saß mit meinem damaligen Partner in einem Restaurant an einem idyllischen See und plötzlich überfiel mich wie aus dem Nichts eine unbestimmte Angst. Mein Herz begann zu rasen, ich fühlte mich wie abgeschnitten von der Realität und versank in einem Gedankenkarussel. Mein Verstand versuchte, eine vernünftige Erklärung für diesen Zustand zu finden, aber scheiterte an der Aufgabe, was den Angstzustand noch weiter verstärkte. Hinzu kamen mit der Zeit tägliche Heulkrämpfe und das Gefühl, die Welt wäre so dunkel und verängstigend wie noch nie. Ich hatte das Gefühl, zu einer hysterischen, neurotischen Frau zu werden. Mein Zustand war auch nicht vergleichbar mit dem, wie ich mich vor der medikamentösen Behandlung gefühlt hatte. Ich begann mich zu fragen, ob es anderen Menschen vielleicht ähnlich wie mir erging, und stellte Recherchen im Internet an. Heute sehe ich es als Geschenk des Himmels an, dass ich bei meinen Recherchen auf das Forum ADFD stieß, einem Selbsthilfeforum, das sich an Menschen richtet, die Probleme haben, die Einnahme ihres Antidepressivums zu beenden. Ich stellte fest, dass ich kein Einzelfall war und mein Gefühl mich nicht betrog.

Mein Zustand war kein Rückfall in die Depression, wie die Schulmedizin es mir glaubhaft zu machen versuchte. Ich hatte zwar im Rahmen des Entzugs depressive Symptome, aber ich erlebte mich anders als zu der Zeit meiner Depression, bevor Antidepressiva Einzug in mein Leben eingehalten hatten. Jetzt fühlte ich mich wie fremdgesteuert, ich war nicht mehr ich selbst. Hinzu kamen zahlreiche weitere Beschwerden, die vor der Einnahme des Medikaments noch nicht da gewesen waren. All die haarsträubenden Geschichten, die ich im Selbsthilfeforum von anderen Betroffenen las, bestätigen mir, dass ich mich eindeutig im Entzug befand. Im Internet las ich sogar von Menschen, die die Medikamente gar nicht wegen Depressionen, sondern wegen anderer Diagnosen verschrieben bekommen hatten, und trotzdem nach dem Absetzen depressiv wurden.

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte, war, dass mein Leidensweg 6 lange Jahre andauern würde. Obwohl ich, wie im Selbsthilfeforum empfohlen, die Dosis meines Antidepressivums in winzigen Schritten und in großen Abständen reduzierte, geriet ich in einen Zustand der Freudlosigkeit, tiefen Traurigkeit und Antriebslosigkeit, der nur nachließ, wenn ich lang genug mit der nächsten Dosisreduktion wartete. Diese Gefühle kannte ich aus der Depression, aber es kamen noch zahlreiche weitere Symptome hinzu, die ich vor der Einnahme von Venlafaxin nicht gehabt hatte. Ich verlor phasenweise vollkommen meinen Appetit sowie die Freude am Essen und wurde immer dünner. In der Zeit des Entzugs bezeichnete ich liebevoll jedes kleine Speckröllchen an mir als „Wohlfühlspeck“, denn ihr phasenweises Auftreten war Anzeichen dafür, dass es mir gerade etwas besser ging und ich mit Appetit und Lust essen konnte. Angst und Panik wurden meine täglichen Begleiter beim morgendlichen Aufwachen, begleitet von Herzrasen und so einer starken Übelkeit, dass der Speichel beim Zähneputzen Würgereize auslöste. Jahrelang litt ich unter wiederkehrenden Durchfällen. Intensive, unangenehme Gerüche konnte ich mitunter kaum ertragen, ohne das Gefühl zu haben, mich gleich übergeben zu müssen.

In manchen Phasen hatte ich täglich massive Heulkrämpfe, deren Ausmaß nicht durch äußere Umstände erklärbar gewesen wäre. In anderen Phasen wurde ich von negativen Zwangsgedanken verfolgt, die ich nicht abstellen konnte. Zusätzlich wurde ich von extrem schmerzhaften, chronischen Muskelverspannungen geplagt, die ich trotz diverser Maßnahmen nicht in den Griff bekam. Ich besuchte diverse Orthopäden und Physiotherapeuten, trainierte regelmäßig im Fitnessstudio, probierte Yoga aus, konsultierte eine Osteopathin und nahm spezielle Schmerzbehandlungen in Anspruch. Nichts brachte nachhaltige Linderung. Hinzu kamen rheumaartige Schmerzen in den Gelenken, die mich dazu veranlassten, eine Blutuntersuchung vornehmen zu lassen, um eine rheumatische Erkrankung auszuschließen.

Ich konnte beobachten, wie sich die Absetzsymptome im Laufe der Zeit veränderten. Manchmal verschwanden sie eine Zeit lang, um später wieder aufzutauchen, oder es kamen vollkommen neue Symptome hinzu. Während zu Anfang vor allem eine extreme Traurigkeit und Angstzustände im Vordergrund standen, kamen in der zweiten Hälfte des Entzugs eine Schlafstörung, Zwangsgedanken und die Unfähigkeit, positive Gefühle wie Glück oder Liebe zu empfinden, zum Vorschein. Selbst wenn ich einen wunderschönen, sorgenfreien Urlaub mit einer Freundin verbrachte, konnte ich keine Freude oder Dankbarkeit empfinden. Der Grund dafür war nicht, dass ich undankbar gewesen wäre oder die schönen Dinge nicht sehen konnte. Es war für mich zutiefst schmerzhaft, all die Anlässe zu sehen, die mich freudig hätten stimmen könnten, aber festzustellen, dass ich diese Freude nicht empfinden konnte. Zu dieser Zeit war es für mich unmöglich, jenes tiefe Gefühl von Liebe zu empfinden, das das Herz erwärmte und aus ihm ein Lächeln emporsteigen ließ. Mein Herz war wie versteinert. Stattdessen hämmerten permanent Zwangsgedanken über meine Unfähigkeit, glücklich zu sein, meine Einsamkeit und meine Unzulänglichkeiten auf mich ein.

Besonders qualvoll empfand ich die Schlaflosigkeit. Ich erinnere mich noch genau, wie ich ganz plötzlich, aus heiterem Himmel, meinen Schlaf verlor. Damals war ich zu Besuch bei einer Freundin gewesen und lag jeden Abend bis spät in die Nacht wach. Ich konnte partout nicht einschlafen. So etwas kannte ich überhaupt nicht von mir und war nie mein Problem gewesen, weder vor Ausbruch der Depression noch währenddessen. Früher war ich als das „Murmeltier“ bekannt gewesen, das zu jeder Tages- und Nachtzeit an fast jedem Ort beliebig lang schlafen konnte. Es war noch nicht einmal so, dass mir besonders düstere Gedanken durch den Kopf gingen und ich deswegen nicht in den Schlaf fand. Es fühlte sich vielmehr so an, als wäre ein Schalter im Gehirn umgelegt. Durch- und Ausschlafen konnte ich auch nicht mehr. Ich wachte oft lange vor dem Wecker auf, ohne wieder einschlafen zu können, sodass ich nur vier bis fünf Stunden Schlaf bekam. Ich gewöhnte mir an, mit Ohrstöpseln und Schlafmaske zu schlafen, weil mein Schlaf so leicht wurde, dass die kleinsten Geräusche und die geringste Helligkeit mich sofort aufweckten.

Absetzen von Antidepressiva: Ich ertrinke in einer Symptomflut und kein Arzt glaubt oder hilft mir.

Durch den starken Schlafentzug geriet ich in einen dauerhaften Zustand der Erschöpfung und Energielosigkeit, der es mir erschwerte, im Alltag zu funktionieren. In all den Jahren des Entzugs konnte ich nur in Teilzeit arbeiten. Starke Ängste begleiteten mich, in eine dauerhafte Abwärtsspirale zu geraten, mein Leben nicht bestreiten zu können und nie wieder „normal“ zu werden. Zeitweise brannte mein Herz vor Schwere und Hoffnungslosigkeit, aber ich gab nicht auf. Meine Abende verbrachte ich oft damit, durch die Straßen meines Stadtviertels spazieren zu gehen, da Bewegung und frische Luft mir halfen, nicht in Verzweiflung zu versinken. Für mich fühlte sich akuter Entzug so an, wie J.K. Rowling in ihren Harry Potter Romanen die Auswirkungen von Dementoren beschreibt:

„Dementoren gehören zu den übelsten Kreaturen, die auf der Erde wandeln. Sie brüten an den dunkelsten, schmutzigsten Orten, sie schaffen Zerfall und Verzweiflung, sie saugen Frieden, Hoffnung und Glück aus jedem Menschen, der ihnen nahe kommt. *…+ Wenn du einem Dementor zu nahe kommst, saugt er jedes gute Gefühl, jede glückliche Erinnerung aus dir heraus. Und dir bleiben nur die schlimmsten Erfahrungen deines Lebens!“ (J.K. Rowling)

Am Anfang des Entzugs suchte ich noch nach den Ursachen in der Vergangenheit für meine tiefe, wiederkehrende Traurigkeit. Vielleicht gab es in der Anfangszeit wirklich noch seelische Themen, die durch die Einnahme des Antidepressivums unterdrückt worden waren und der Aufarbeitung bedurften. Aber nach einiger Zeit begann ich, ein Muster zu erkennen. Jedes Mal, wenn eine Etappe des Entzugs geschafft war und sich mein Zustand stabilisierte, ging es mir eine Weile wieder gut und ich hatte das Gefühl, meine Vergangenheit endlich aufgearbeitet zu haben. Kaum begann ich erneut mit der Reduktion der Dosis, fing alles wieder von vorne an. Exakt dieselben Themen schienen wieder aktuell zu sein. Es fühlte sich für mich vollkommen absurd an, sodass ich schon in Frage stellte, ob meine Psychotherapie überhaupt irgendetwas gebracht hatte.

Schließlich wurde mir klar, dass die Ursachensuche sinnlos war und der Absetzprozess daran schuld war, dass ich immer wieder in denselben negativen Gedankenschleifen und derselben sinnlosen Traurigkeit versank. Nach den Absetzschritten hatte sich in der Regel nichts Gravierendes in meinem Leben geändert und trotzdem fühlte es sich jedes Mal plötzlich so an, als würde die Welt untergehen und nie wieder in Ordnung kommen. Jedes Absetzen schien einen künstlichen, depressiven Schub auszulösen. Diese „grundlose“ Traurigkeit war jedoch nicht einfacher auszuhalten als die ursprüngliche Traurigkeit, die durch familiäre Umstände ausgelöst worden war. Immer wieder hielt ich mir vor, dass ich doch keinen Grund hatte, traurig zu sein, und zweifelte selbst an dem Entzugsphänomen, vor allem dann, wenn die Regeneration monatelang auf sich warten ließ. Umgekehrt stellte ich aber auch fest, dass sich mein psychischer Zustand nach jeder Dosisreduktion irgendwann wieder stabilisierte und ich mich erholte. Ich musste nur genügend Durchhaltevermögen beweisen und die Reduktionsschritte klein genug auswählen. Das musste doch heißen, dass es irgendwann auch gänzlich ohne Antidepressiva gehen konnte, oder?

Schließlich blieb mir nur noch ein halber Milligramm Venlafaxin, den ich absetzen musste. Zu dem Zeitpunkt war ich psychisch einigermaßen stabil, da ich über einen langen Zeitraum nicht mehr gewagt hatte, die Dosis zu reduzieren. Ich fasste den Mut und ließ jeden Monat ein Kügelchen weg von den fünf, die noch übriggeblieben waren. Eine winzig kleine Dosis, die jeder Psychiater und jeder Arzt als therapeutisch unwirksam und vollkommen irrelevant einstufen würde. Ich wusste aus dem Selbsthilfeforum, dass der Schritt, auf null zu reduzieren, am schwierigsten war. Trotzdem war ich nicht auf das Ausmaß und die Heftigkeit der Entzugsreaktion gefasst. Nach einer langen Durststrecke, wenn einem eigentlich schon die Puste ausgegangen war, ging es am Ende noch einmal steil bergauf. Mein Körper und meine Psyche drehten vollkommen durch und präsentieren mir alle zuvor genannten Absetzsymptome in gesteigerter Intensität. An den schlimmsten Tagen liefen einfach nur die Tränen, ohne dass ich einen Grund dafür nennen konnte, und das Hupen eines genervten Autofahrers oder die Bemerkung einer Kollegin reichten aus, um mich in Verzweiflung zu stürzen. Nach Feierabend kam es mir wie eine schier unüberwindbare Aufgabe vor, noch meine Wohnung zu staubsaugen. In dieser Zeit war ich so dünnhäutig und am Wasser gebaut, dass ich meine Arbeit kaum schaffte und mich kaum noch mit Freunden oder Familie verabredete, weil ich zwischenmenschliche Kontakte nur schwer ertragen konnte und jede Minute zum Ausruhen brauchte.

Ich ließ nichts unversucht, um Linderung zu finden und gab viel Geld für Akupunktur, Kinesiologie, diverse Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Mittel, alternative Psychotherapieformen sowie Behandlungen bei einer Heilpraktikerin aus. Es war tröstlich, Schritte zu unternehmen, sich dadurch weniger machtlos zu fühlen und immer wieder Anlässe zu schaffen, die Grund zur Hoffnung auf Linderung gaben. Aber am Schluss stand fest: Nichts half, außer dem Gehirn ausreichend Zeit zu geben, sein chemisches Gleichgewicht wieder herzustellen und zu heilen. Nach Absetzen der letzten Dosis brauchte ich noch über ein Jahr, um den Entzug zu überwinden.

Am Schlimmsten war für mich, dass mir so gut wie niemand Glauben schenkte, weder die Ärzte noch mein persönliches Umfeld. In einer Zeit, in der ich vor allem Zuspruch, Verständnis und Ermutigung gebraucht hätte, wurde mir immer wieder unterstellt, mich zu verrennen, dem Entzug zu viel Bedeutung beizumessen oder mir den Entzug nur einzubilden. Mein Kummer fand keinerlei Anerkennung, was meine Traurigkeit und Einsamkeit weiter potenzierte. Wenn meine emotionalen Reaktionen sehr stark waren, musste ich mir öfters anhören, dass ich dringend eine weitere Psychotherapie nötig hätte und meine erste Therapeutin scheinbar nicht kompetent genug gewesen wäre, um mir zu helfen. Der Schlafmangel wurde nicht ernst genommen und auf die Depression geschoben. Gerade die Menschen, die mir am nahesten standen, gaben mir wiederholt den liebevoll gemeinten Rat, das Antidepressivum weiter zunehmen: „Willst Du wirklich so weiter machen? Dann nimm doch lieber das Antidepressivum weiter. Das ist doch kein Leben so!“

Da viele Symptome der Grunderkrankung ähnelten, stufte man mich als depressiv ein und schenkte mir keinen Glauben. Die Intensität der Entzugsreaktion wurde als Beweis dafür eingestuft, wie dringend nötig ich das Medikament offensichtlich hatte. Da half es auch nichts zu erklären, dass die ursprünglichen Auslöser, aufgrund derer ich in die Depression gerutscht war, schon längst therapeutisch aufgearbeitet waren, und dass ich mich wie in einem künstlich erschaffenen Zustand fühlte, der nicht mit der ursprünglichen Depression vergleichbar war. Selbst die meisten Alternativmediziner und Heilpraktiker, die ich aufsuchte, kannten sich mit dem Thema nicht aus und wussten nicht, dass sich die Absetzproblematik durchaus über Jahre fortsetzen kann. Auch hier bekam ich nach erfolgloser Hilfestellung meistens am Ende den Hinweis, dass ich wohl doch eine „Mikrodosis“ des Antidepressivums beibehalten müsste.

Auch wenn die Reaktionen meines Umfelds mich manchmal in die Verzweiflung trieben, machte ich ihnen keinen Vorwurf daraus. Das Entzugsphänomen war für jemanden, der es am eigenen Leib noch nicht erfahren hatte, so komplex und beängstigend, dass man seinen geliebten Menschen lieber in den Händen eines Arztes sah, als ihn weiter so leiden zu sehen. Das Absetzen von ein paar Milligramm sollte tatsächlich so einen desolaten Zustand auslösen? Das Phänomen war im wahrsten Sinne des Wortes „un-glaublich“. Trotzdem fühlte ich mich entmündigt, weil man meine Stimme nicht ernst nahm und mich als psychisch labil und unglaubwürdig einstufte. Ich merkte schnell, dass es keinen Sinn hatte, über meinen Leidensweg zu sprechen, und bestritt den Kampf gegen Antidepressiva weitestgehend alleine im Stillen. Nichtsdestotrotz verstärkten die Einschätzungen meiner Mitmenschen meine eigenen nagenden Zweifel, ob ich mich vielleicht doch irrte. Konnte der Entzug wirklich so lange andauern? War ich vielleicht doch unheilbar depressiv? Brauchte ich vielleicht doch ein Leben lang ein Medikament?

Ich las immer wieder verzweifelt in Büchern, die sich mit der Absetzproblematik von Psychopharmaka befassten, und Selbsthilfeforen nach, um Bestätigung dafür zu finden, dass ich mir den Entzug nicht einbildete. Mehrmals holte ich mir Rat bei den Autoren dieser Bücher, die mir Mut machten, wenn ich wirklich kurz davor war, aufzugeben, weil der Entzug schon zu lange andauerte und ich die Hoffnung auf Besserung verlor. Dazu zählte auch ganz besonders die Hilfestellung von Herrn Dr. Ansari. Ohne diese Menschen und ihren Zuspruch hätte ich es nicht geschafft. Eine Autorin aus Großbritannien erklärte mir, dass ich durch die Einnahme von Antidepressiva eine Gehirnverletzung erlitten hätte, die aber bei den allermeisten Menschen mit ausreichend Zeit wieder heilen würde. Sie hatte Recht. Tatsächlich bin ich heute endlich medikamentenfrei und mir geht es wieder gut. So gut wie alle Entzugssymptome sind inzwischen verschwunden, seitdem ich vor über einem Jahr das letzte Kügelchen abgesetzt habe. Und ich bin guter Dinge, dass auch diese mit der Zeit verschwinden werden. Damit bin ich der lebendige Beweis dafür, dass Heilung möglich ist.

Aus der Retroperspektive spielt es für mich keine Rolle, ob und in welchem Umfang mir die Antidepressiva in meiner Depression geholfen haben. Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass ich so viele Jahre brauchen würde, um mich wieder davon zu befreien, hätte ich die Einnahme ohne Zögern abgelehnt und mich lieber unmittelbar meinen seelischen Schmerzen gestellt. Und trotzdem weiß ich im tiefsten Inneren, dass dieser Weg seine Berechtigung und seinen Sinn hatte. Das klingt jetzt erst mal unglaublich, ich weiß, denn all diese seelischen und körperlichen Höllenqualen erscheinen auf den ersten Blick vollkommen sinnlos, aber sie veranlassten mich dazu, mich der Spiritualität zuzuwenden. Dank meiner tiefen Sehnsucht, unbedingt einen Sinn in diesem Leiden finden zu wollen, stehe ich heute fest im Glauben und habe eine Lebensphilosophie entwickelt, die es mir ermöglicht, unsere menschlichen Erfahrungen auf Erden besser zu verstehen und den Prüfungen des Lebens standzuhalten. Gerne möchte ich meine Erkenntnisse mit Euch teilen. Auch wenn Spiritualität vielleicht nicht jeden anspricht, so mögen meine Worte vielleicht das Herz des einen oder anderen berühren und Mut und Zuversicht schenken, dass man mit dem Absetzen des Medikaments den richtigen Weg eingeschlagen hat. Bisher überwiegt im Umgang mit Depressionen vor allem ein psychologisch-psychiatrischer Ansatz, aber ich glaube, dass eine spirituelle Sicht- und Herangehensweise eine unermesslich wertvolle Ergänzung sein kann, wenn nicht sogar unabdingbar für eine nachhaltige Heilung ist. Depression ist keine unheilbare, chronische Erkrankung, gegen die wir ein Leben lang Antidepressiva schlucken müssen.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem nur jenen Dingen Glauben geschenkt werden, die gesehen und bewiesen werden können. Diese Sichtweise spiegelt sich in dem Glauben wider, eine verletzte Seele ließe sich durch ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter erklären und durch chemische Mittel wieder „reparieren“. Wenn wir uns für die Sichtweise öffnen können, dass es nicht nur die materielle, sichtbare Welt gibt, sondern dass wir ein wichtiger, einzigartiger Teil eines unendlichen Universums mit vielen weiteren Dimensionen sind, verhilft uns das zu dem Bewusstsein, dass wir so viel mehr als unser Körper, unsere Gedanken und Gefühle sind. In uns wohnt eine Seele, deren unglaubliche Kraft, Weisheit und Liebe wir mit unserem Verstand gar nicht erfassen mögen und die in Verbindung mit der kosmischen Intelligenz steht. Unsere Seele ist kein defektes Teil in unserem Körper, das wie ein kaputtes Auto repariert und wieder funktionstüchtig oder leistungsfähig gemacht werden kann, indem wir Tabletten schlucken. Sie möchte uns wichtige Impulse und Botschaften übermitteln, die uns bei unserer Heilung helfen sollen. Unsere Gefühle, die in dem Moment sicherlich überwältigend und unwillkommen erscheinen, sind wertvolle Wegweiser, in welche Richtung uns die Seele lenken möchte. Wenn wir mit Hilfe von Antidepressiva ihre Impulse unterdrücken oder sie nur noch durch den dicken Schleier medikamentöser Betäubung wahrnehmen, werden wir der Unendlichkeit der Seele und ihrer Bedeutung für unsere Existenz nicht gerecht.

Wie P. T. Chardin es so treffend formuliert hat, sind wir keine menschlichen Wesen, die spirituelle Erfahrungen machen, sondern spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung hier auf Erden machen. Spiritualität verleiht unserem Leben eine Richtung, die aus dem Herzen, aus der Seele kommt. Ich glaube, dass viele depressive Menschen den Kontakt zu ihrer Seele und ihren Herzenswünschen verloren haben. Ich selbst habe ihn über viele Jahre verloren und dabei erfahren, dass kein Medikament der Welt die Verbindung zur eigenen Seele wieder herstellen kann. Wahre Heilung kann erst stattfinden kann, wenn wir unseren lauten Verstand verlassen und die Weisheit, das Licht und die Meisterschaft unserer Seele anerkennen, anstatt ihre als störend empfundenen Botschaften zu unterdrücken. In diesem Sinne möchte ich uns ermutigen, unserer Seele Gehör zu schenken, ihrer zarten Stimme zu lauschen und sie in ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten ernst zu nehmen: „Ich war ein Suchender und bin es noch immer. Aber ich habe aufgehört, Bücher zu fragen und die Sterne. Ich begann der Lehre meiner Seele zuzuhören“ (Rumi) Unsere Seele ist ein Wunder, welches nicht durch Antidepressiva heilt, sondern durch unsere wahrhaftige, tief im Herzen empfundene Anerkennung und Wertschätzung ihrer Existenz. Die Essenz der Seele besteht aus Licht und Liebe und je mehr Beachtung wir unserer Seele schenken, desto mehr kann ihr Licht erstrahlen und die Liebe fließen.

Nach all den Jahren des Entzugs bin ich zu der tiefen Überzeugung gelangt, dass hinter jeder leidvollen Erfahrung ein Sinn liegt und nichts aus Zufall geschieht. Ich selbst habe den Sinn über sehr viele Jahre gesucht und alleine diese Suche hat mir dabei geholfen, die schwierigsten Zeiten in meinem Leben zu überstehen. Dieser Sinn entspringt unserer Seele. Meines Erachtens ist der Sinn aller menschlichen Erfahrungen hier auf Erden die Entwicklung und der Wachstum unserer Seele, um dadurch zu unserer wahren Größe zu finden. Aus menschlicher Perspektive erscheint uns das, was uns widerfährt, zuweilen als unerträglich schmerzhaft und ungerecht, aber aus seelischer Perspektive sind diese Erfahrungen weder sinnlos, gut oder schlecht. Sie dienen alle dem höheren Zweck, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen, und der größte Wachstum findet oft in jenen Zeiten statt, in denen wir mit unseren tiefsten Ängsten und größten Verletzungen konfrontiert werden und dazu aufgefordert werden, unsere Gedankenmuster, Glaubenssätze und Werturteile zu hinterfragen.

Der Entzug hat mich zu meiner Seele geführt.

Seitdem ich zu dieser Erkenntnis gekommen bin, kann ich sogar Dankbarkeit für meinen Weg empfinden. So oft habe ich gezweifelt, ob meine Medikamentenfreiheit wirklich all dieses Leiden wert ist, aber der Entzug hat meine spirituelle Entwicklung beschleunigt und mir dabei etwas unermesslich Großes geschenkt: Er hat mich zu meinem wahren Zuhause, meiner Seele, zurückgeführt. Er hat mir geholfen, jene Anteile in mir loszulassen, die nicht meinem wahren Selbst entsprechen und mir somit nicht dienlich sind. Er hat mir gelehrt, ein tiefes Vertrauen darin zu entwickeln, dass meine Seele mein Kompass ist und genau die Erfahrungen in mein Leben ziehen wird, die mich zu einer besseren und höheren Version von mir selbst führen werden. Oft sieht es zwar nicht so aus, aber das Leben ist immer für uns, nicht gegen uns. Wenn wir uns trauen, den dunklen Schatten in uns zu begegnen und sie zu transformieren, erwarten uns segensreiche Geschenke auf unserem Lernweg. Die Seele hat uns so viel zu erzählen. Wenn wir uns erlauben, ihr zu begegnen, ist es möglich, Schritt für Schritt zu heilen und das große Licht unserer Seele wieder leuchten zu lassen. Sobald wir uns auf den Weg machen, wird uns das Leben die Menschen und die Hilfe an die Seite stellen, die wir für die Heilung unserer Seele brauchen. Davon bin ich überzeugt und so habe ich es auch erfahren.

Ich wünsche mir von Herzen, dass dieser Beitrag Euch allen, die Ihr vom Entzug betroffen seid, Mut macht, Trost spendet und Euch verdeutlicht, dass Ihr nicht alleine seid, auch wenn nur wenige Menschen Euch Glauben schenken. Auch Ihr könnt den Entzug schaffen und ein medikamentenfreies Leben führen. Daran glaube ich fest, denn eine Seele, die die Bürde des Entzugs auf sich nimmt, ist eine wahrhaftig mutige Seele! Glaubt an Euch, haltet durch und gebt nicht auf! Aus dieser Erfahrung werdet Ihr stärker denn je hervorgehen.

Herzlichst, Eure Marie

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24 Comments

  1. Welch berührender und gleichzeitig Bestürzung auslösender Erfahrungsbericht! Ich möchte erstmal DANKE sagen und meine Bewunderung ausdrücken: für das Durchhalten gegen alle Widerstände und für das Durchstehen dieser ewig langen Zeit mit all diesen schrecklichen Entzugssymptomen. Auch für die wunderbare Klarheit dieses Berichts, den ich am liebsten jedem Psychiater / jeder Psychiaterin in Deutschland zur Pflichtlektüre vorlegen würde.

    Die Schilderung von Dir, liebe Marie, zeigt in aller Deutlichkeit auch die Misere der gegenwärtigen Psychiatrie auf: falsche oder fehlende Informationen zur Depression und den Medikamenten, die systematische Ausklammerung der Lebensgeschichte (in der doch meist die Ursache für die depressiven Zustände liegt), das Fehlen jeglichen Zweifels am eigenen Tun seitens der Verordner (die offensichtlich die kritische Literatur zu Psychopharmaka nicht kennen). Und beim Entzug – ja: ENTZUG! – erleben die User dann, wie geschildert, nicht selten schlimmere(!) Symptome als zuvor bei der manifesten Erkrankung. Zusätzlich muss man die niederschmetternde Erfahrung machen, von diesen Fachleuten, an die man sich verzweifelt wendet, keinerlei Hilfe zu bekommen. „Iatrogene Schädigung“ nennt sich sowas, also Schädigung durch ärztliches Verhalten!

    Den Weg raus aus diesem an sich völlig überflüssigen Elend muss man/frau dann – wie Marie! – allzu oft allein bzw. eigenverantwortlich gehen. Er gelingt bei so einem heftigen Geschehen freilich eher selten. Und ohne gewisse Informationen und Helfer – wie hier das ADFD-Forum und Dr. Ansari – ist man meist verloren. Dennoch ist so ein Weg, das zeigt Marie, prinzipiell möglich.

    Und ja, auch diese am Ende beschriebene Rückkehr zur Seele – wie auch ich selbst meine Gesundung von der eigenen Depression genannt habe, wenngleich bei mir weit weniger medikamentlastig! – berührt. Die Seele kann in der Tat immer einen Weg finden, weshalb ein Grundsatz lautet: GIB NIEMALS AUF! Aber das mit Medikamenten angerichtete Elend sollte man den Patient:innen bitte ersparen. Es widerspricht dem elementarsten Grundsatz ärztlichen Tuns: Nihil nocere! – Nicht schaden!

    Respekt, Glückwunsch und alles Gute, liebe Marie!

    1. Lieber Jürgen,
      ich danke Dir von Herzen für diese so herzlichen und wertschätzenden Worte und Deine wertvollen Ergänzungen hinsichtlich der katastrophalen, psychiatrischen Versorgung, wo es leider gang und gäbe ist, leichtfertig Antidepressiva zu verschreiben. Du hast die Situation sehr gut auf den Punkt gebracht! Man fühlt sich von den Fachärzten vollkommen im Stich gelassen. Ich habe mich über Deinen Beitrag sehr gefreut und mich durch ihn sehr bestärkt und verstanden gefühlt. Möge es vielen anderen hier auch so gehen! Noch einmal ein großes Dankeschön! Alles Gute für Dich und herzliche Grüße, Marie

  2. Wenn ich diesen Bericht lese ,so denke ich gerade ,er könnte von mir sein.Ich habe über 8Jahre Seroquel eingenommen ,gegen Zwangsgedanken und schweren Angstzustände.Ich befinde mich seit fast 3Jahren im Entzug, mit wirklich sehr schlimmen Symptomen ,die ich hier gar nicht alle beschreiben kann.Kein Arzt glaubt mir und auch bei keiner Untersuchung ,ist irgendetwas herauszufinden. ICH bin am Boden zerstört und könnte nur noch weinen. ICH HOFFE mein Körper erholt sich irgendwann und ich bete jeden Tag dafür .

    1. Liebe Manuela, mir geht es seit nunmehr 1 Jahr genauso wie Dir, seit dem Absetzen von Escitalopram, welches ich 18 Jahre geschluckt habe. Ich bin seitdem in einem seelischen und körperlichen Ausnahmezustand, den ich so noch niemals zuvor erlebt habe. Ich hbe ein permanent vorhandenes körperliches Schwächegefühl, totale Appetitlosigkeit und vieles mehr, mein Fühlen und Denken ist wie umnebelt, ich bin permanent benommen, Brain Fog ist der richtige Ausdruck dafür, es ist ein Zustand, den sich jemand der das nicht selbst durchlebt auch nicht im Ansatz vorstellen kann. Meine einzige Emotionale Reaktion und Gefühlsregung ist eigentlich ausschließlich nur noch Trauer, eine ganz tief in mir verankerte Melancholie und Traurigkeit, die ein ständiger Begleiter ist.
      Auch ich gehe von Arzt zu Arzt, niemand kann mir helfen. Und erst heute wurde mir wieder einmal von einer sog. Fachärztin gesagt, dass es niemals sein könnte, dass nach einem Jahr immer noch Entzugserscheinungen auftreten wuerden, sowieso wuerden diese SSRI ‘s gar nicht abhängig machen. Mein Grundproblem ist wohl, dass ich viel zu schnell abgesetzt habe, und wenn ich letztes Jahr bereits gewusst hätte was ich erst seit ein paar Monaten weiß, dann hätte ich evtl nicht diesen unerträglichen Zustand, den ich kaum noch ertrage!!!
      Auch ich bin total verzweifelt und resigniert, ich funktioniere nicht mehr, habe Panikattacken und Angstzustände, wie sollte das nur weitergehen und wie lange noch?? Ich kann nicht mehr.
      Gruß Rainer

  3. Liebe Manuela und lieber Rainer,
    ich danke Euch für Eure Kommentare zu meinem Artikel und für das Teilen Eurer Geschichte. Wie gut kann ich Euch und Eure Verzweiflung verstehen! Meine Gedanken sind bei Euch und ich schicke Euch ganz viel Kraft, Zuversicht und Mut!! Alles Liebe, Marie

  4. Liebe Marie
    Ich schicke Dir ganz herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Bericht! Seit 20 Jahren (!!) nehme ich das Antidepressiva Deanxit und versuche es nun abzusetzen. Nachdem es erst einmal nicht schlecht gelaufen ist, befinde ich mich jetzt plötzlich in einer Welle von Entzugssymptomen: Schlaflosigkeit, Herzrasen, Ängste, nervlich überhaupt nicht mehr belastbar, weil sich mein Körper eh schon im Stress befindet! Dein Bericht zeigt mir, dass ich nicht einfach nur spinne…
    Du berichtest von einzelnen Kügelchen, die Du am Schluss noch genommen hast. Wie reduziert man denn ein Medikament, das sich im besten Fall vierteln lässt? Vielleicht hättest Du mir einen hilfreichen Hinweis?
    Liebe Grüsse aus der Schweiz
    Heidi

  5. Liebe Heidi,
    vielen Dank für Deinen Kommentar! Sei versichert, Du spinnst nicht und Deine Entzugssymptome sind absolut real!! Lass Dir von niemandem etwas anderes einreden. Ich fühle sehr mit Dir mit und wünsche Dir von Herzen, dass es Dir bald besser geht!! Je nach Wirkstoff und Präparat gibt es unterschiedliche Absetzmethoden (mit Kügelchen, Wasserlösemethode: https://www.depression-heute.de/wasserloesemethode etc.). Ich kenne mich da nur mit dem Wirkstoff Venlafaxin aus, welches als Kapseln mit vielen kleinen Kügelchen erhältlich ist. Aber ich bin im Internet gerade auf folgendes PDF gestoßen, das die verschiedenen Methoden vorstellt und Dir bestimmt weiterhelfen wird: https://die-psychopharmaka-falle.de/wp-content/uploads/Antidepressiva-absetzen_adfd_November2018.pdf. Ansonsten ist Herr Dr. Ansari von diesem Forum sicherlich der richtige Ansprechpartner, um Dich zu beraten. Alles Liebe für Dich und herzliche Grüße in die Schweiz, Marie

  6. Hallo Marie,
    dein Bericht macht mir Mut und Angst zugleich!
    Ich habe vor 6 Wochen Duloxetin innerhalb eines Monats abgesetzt, da mein Psychiater mich auf einen MAO Hemmer umstellen wollte! Hat er dann nicht, bzw. ich wollte nichts mehr nehmen! Es stellten sich dann ziemlich schnell nach 0 Entzugserscheinungen ein! Ich versuche gerade mit einer Minidosis, wie im adfa Forum empfohlen, die schlimmsten Symptome abzumildern! Ich hoffe so sehr, dass das klappt, sonst weiß ich echt nicht, wie ich das Ganze durchstehe, wenn du schreibst, das es Jahre dauern kann!!!
    Werden die Entzugserscheinungen mit der Zeit leichter, oder sind diese Zustände dauerhaft?
    Ich bin jedesmal in Versuchung, wenn ich einen Termin bei meinem Psychiater habe, mir doch wieder etwas verschreiben zu lassen!!!
    Ich bin gerade 60. Jahre alt geworden und habe zwei Enkel. Mein Mann und ich hatten noch so viele Pläne! Aber mein momentaner Zustand lässt nichts richtig zu! Ich bin immer froh, wenn ich wieder einen Tag, mehr schlecht als recht, überstanden habe! Dann kommt die Angst vor der Nacht!!!
    Muss denn jeder Entzug so „grausam“ sein oder gibt es auch positive Berichte!
    Ich wünsche dir alles Gute und vllt hast du ja Lust zu antworten.
    Liebe Grüße Angelika

  7. Liebe Angelika,
    vielen lieben Dank für Deine Nachricht! Ich fühle sehr mit Dir mit und es tut mir unglaublich leid, dass Du leider auch diese Qualen durchleiden musst. Ja, ich kann verstehen, dass Dir mein Bericht Angst macht… aber wirklich: Jeder Entzug ist hoch individuell und lässt sich nicht von einer Person auf die nächste übertragen. Selbst wenn ähnliche Absetzschritte gewählt werden und es sich um dasselbe Präparat handelt, kann das Ergebnis vollkommen unterschiedlich ausfallen, weil unser Körper ein hochkomplexes Wunder ist und nicht vorhersehbar ist, wie sich das Absetzen der Medikamente auf ihn auswirken wird. Es gibt auch Menschen, die kaum Probleme haben, ihr Antidepressivum abzusetzen. Also nein, nicht jeder Entzug muss so grausam sein und jahrelang dauern! Wenn Du kannst, sieh meine Geschichte vor allem als Ermutigung, dass man es schaffen kann, egal wie schwierig der Weg ist. Ich drücke Dir die Daumen, dass das Wiedereinschleichen der Mini-Dosis Deine Symptome ganz schnell mildert!! Alles Liebe für Dich, Marie

  8. Danke liebe Marie für Deinen Bericht. Mir erging es ebenso. Die Absetzsymtome sind schrecklich. Ich habe 2 Antidepressiva abgesetzt über 2-3 Jahre und momentan setze ich noch 50 mg Quetiapin ab. Da musste ich jetzt eine Absetzpause von über 1 Jahr machen, weil die Ängste unaufhaltbar Urnen und mein Nervensystem sich erstmal beruhigen wieder musste. Auch einen Tavor Entzug den ich ganz kleinschrittig über 3 Jahre machte, half am Ende. Ich bin nun eine Dosis von 7,5 mg los. Worüber ich mega froh bin. Weil ich einen Enzug in der Klinik machte, da war ich bei täglich 5 mg. Tavor. Aber dort auf Station setzen sie das Tavor innerhalb von 14 Tagen !!!!! ab. Danach noch Tilidin. Davon war ich nämlich auch noch abhängig. Auch innerhalb von 14 Tagen nach dem Tavor Entzug. Danach war ich schwer depressiv und hochsuizidal entlassen worden. Ich log auf Station, das es mir gut ginge, weil ich unbedingt aus dieser Station weg wollte. Die hätten mich nur noch mehr mit Neuroleptika zu geballert. Das wollte ich auf keinen Fall. Denn ich nahm ja schon 450 mg Quetiapin. Ich hab mich dann bei meinen Eltern verkrochen und hab zum Glück einen Arzt gefunden in Berlin, der mir zum Glück das Tavor wieder ansetze und minidosis von einem Antidepressiva, was sie mir auf Station auch noch so eins zwei hopps entzogen. Tom Btschor der Chefarzt der Klinik war der Meinung, na wenn es nicht hilft, weg damit. Das ich aber in extremen Entzugserscheinungen saß, merkte er nicht. Ich litt wie ein Tier auf der Schlachtbank, aber keiner auf dieser Station sah meine wirkliche Qual. Ja Ja sagte sie, sie ist halt sehr krank. Nein!! Ihr hab mir zu Schnell Tavor, Tilidin und Escitalopram entzogen!!! Deshalb hatte ich diese schrecklichen Qualen! Wie gesagt der Berliner Arzt in Reinickendorf half mir, in dem ch dann 7,5 mg wieder Tavor bekam und ein bisschen vom Escitalopram. Mein Zustand verbesserte sich enorm. Ich konnte wieder irgend wie leben und nicht mich gleich suizidieren wollen. In einem Zeitraum von 3 Jahren setze ich dann Krümmelweise das Tavor ab und auch das Escitalopram. Es war auch absolut nicht einfach, schwere Angstzustände und Depressionen und Panikattacken musste ich trotzdem aushalten. Aber ich hatte ein Ziel. Weg von den Psychopharmaka zu kommen. Mir half da auch ganz doll das Forum Adfd und auch die Seiten von Herrn Ansari. Jetzt bin ich wie gesagt dabei das letze Neuroleptika abzusehen. 50mg Quetiapin sind es noch. Aber jeder Absetzschritt ist Horror. Die Ängste und die Unruhe wird dann meist schlimmer. Aber was bleibt mir übrig, wenn ich dieses Giftzeug loswerden will. Und es gibt noch so viele unwissende Psychiater in Deutschland, die ihren Patienten zu schnell dieses Teufelszeugs verschreiben und ihre Patienten nicht aufklären, wie schlimm Entzugserscheinungen sein können. Gerade schaute ich bei Google nach, da stand: Antidepressiva machen nicht abhängig. Ich hätte sorry.. kotzen können.

  9. Liebe Anja,
    vielen Dank für Deinen bestürzenden Bericht über Deine Erfahrungen mit Psychopharmaka! Ich bin auch immer wieder erschrocken, welcher Umgang in vielen Psychiatrien (bestimmt nicht in allen) herrscht und wie mit den Betroffenen umgegangen wird (böswillige Unterstellungen, Zwangseinnahme von Medikamenten, Patienten werden nicht ernst genommen…). Dabei geht es hier um Menschen in großer Not, die ganz besonders auf die Hilfe von kompetenten Ärzten & Therapeuten mit Herz und Empathie angewiesen sind. Mir tut das einfach nur in der Seele weh. Wie unglaublich mutig von Dir, die Station verlassen zu haben und seitdem Deinen eigenen Weg zu gehen! Da kannst Du echt den Hut vor Dir selbst ziehen, liebe Anja!! Denn wir Betroffenen wissen alle, was für ein schrecklicher Kampf der Entzug ist! Ich wünsche mir so sehr, dass da bald ein großes Umdenken stattfindet und das Thema endlich mehr Anerkennung findet. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, Zuversicht und Durchhaltevermögen für das weitere Absetzen…. Du bist schon sooo weit gekommen, den Rest schaffst Du auch noch! Alles Liebe für Dich, Marie

  10. Liebe Marie,
    Ich nehme schon 10Jahre Venlafaxin 75mg ,höher dosieren wollte ich nicht .Es half mir mittelmäßig,so das ich arbeiten gehen und mein Haushalt machen konnte.Nach einer Zeit merkte ich, das mir eigentlich alles scheiss egal war .Meine Wohnung müsste unbedingt auf Vordermann gebracht werden.Mein Küchentisch hatte viele Macken , abgeplatzte Oberflächen und die Stühle aus Kunstleder zeigten auch schon Risse .Aber egal ,ich nahm es nicht wahr.
    Meine Beziehung war auch nur nutzbringend,ich war auch emotional Abhängig von meinem Partner.Die Beziehung zu meinen Kindern war nicht liebevoll ,weil ich liebe nicht mehr empfand..
    Ich war ein Roboter ,die arbeitete und ihren häuslichen Dienst tat.

    Es wird empfohlen mit Antidepressiva kombiniert eine Psychotherapie zumachen ,aber das AD blockiert ja schon deine Denkweise und Gefühle so das auch eine Therapie garnicht richtig ankommt.
    Im Jahr 2020 versuchte ich dann abzusetzen .Über 6 Monate langsam bis 15mg Venlafaxin.Ich dachte ,das ist doch eine homöopathische Dosis und ließ es weg.Kaum eine Woche später hatte ich eine Panikattacke , Angstzustände, Suizidalität, Schlaflosigkeit,Zwangsgedanken die nicht zu stoppen waren und starke innere Unruhe .
    Ich versuchte all diese Symptome auszuhalten aber es ging nicht .
    Vor allem Schlaflosigkeit ,nur 2 Stunden Schlaf und die permanente innere Unruhe trieben mich zum Wahnsinn.
    Wie sollte ich wieder arbeiten gehen ?Warum drehte ich so durch ?
    Mein Mann und meine Familie waren für mich keine Unterstützung und sagten mir, dass ich halt nur mit Medikamenten funktioniere.
    Also habe ich wieder auf dosiert, die kleinste Dosis.Es ging mir besser ,aber ich hatte ein Symptom behalten .
    Missempfindungen am ganzen Körper ,in der Nacht und in der Ruhe .Mein Körper vibriert , kribbelt und zittert innerlich so das ich nie entspanne.
    Ich zog mich sozial zurück und hatte keine anderen Bezugspersonen mehr außer meiner Familie .
    Vor kurzem habe ich wieder versucht und bin gescheitert .
    Seitdem nehme ich 37,5mg ,mein Pychiater will eigentlich auf 150mg hoch gehen .Wenn ich erzählen möchte ,dass ich absetzen will ,
    heißt es „warum ,andere Menschen müssen auch lebenslang Medikamente nehmen.Ob es nun für Herz ist oder Diabetes .Sie brauchen es halt für ihre Psyche.“
    Das Absetzen werde ich wohl nur schaffen ,wenn ich nicht arbeite und auch nicht mein Umfeld belaste .Sonst mache ich zu viele zwischen menschliche Fehler ,weil ich meiner Entscheidung nicht traue .
    Ich habe mich selbst verloren und kann nicht mal mehr die einfachsten Sachen entscheiden ohne in Panik zu geraten .
    Ich bin nicht mehr so stressresistent und reagiere schnell impulsiv .
    In letzter Zeit hinterfrage ich mein Leben ,wie es gelaufen wäre ohne Antidepressiva.Es hat mir geholfen auf den Beinen zu sein.
    Wenn ich in Bewusstsein wäre,
    hätte ich viele Sachen anders entschieden.
    Letzt endlich fühle ich mich geschädigt und um mein Leben beraubt .
    Beraubt ein freudiges, leidenschaftliches und manchmal trauriges Leben zuführen.

    P.S. wie kann man Dr Ansari erreichen?
    Alles Gute für deine Zukunft ohne AD
    Leyla

    1. Liebe Leyla, such am besten über Google Dr. Ansari, auf seiner Homepage kannst du online einen Telefontermin ausmachen , kann ihn sehr empfehlen. Ich stecke auch gerade in diesem Prozess. Wir dürfen und werden einfach nicht aufgeben. Der Weg ist das Ziel. Alles Liebe dir Ute

    2. Liebe Leyla,
      vielen herzlichen Dank für Deinen so offenen und berührenden Bericht! Ich habe Deinen Kommentar jetzt erst entdeckt, daher meine späte Antwort. Vielen Dank an Ute, die Dir ja schon die Auskunft gegeben hat, wie man Herrn Ansari erreicht. Hier noch einmal der direkte Link für die Telefonberatung, die ich immer genutzt habe: https://www.naturheilpraxis-ansari.de/telefontermin/

      Ja, ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Antidepressiva den Zugang zu unseren Verletzungen und Gefühlen beeinträchtigt und wir dadurch in der Psychotherapie gar nicht richtig an unsere Themen rankommen. So viel ist bei mir erst richtig während des Absetzens bzw. danach hochgekommen. Du hast es treffend beschrieben: unter Antidepressiva funktionieren wir zwar, aber fühlen uns wie Roboter, abgeschnitten von unserer Gefühlswelt. Ich kann verstehen, dass Du Dich geschädigt fühlst, und wir können nur hoffen und uns dafür einsetzen, dass die Aufklärungsarbeit intensiviert wird.

      Das Absetzen ist leider ein langer, einsamer Weg, für den man so gut wie kein Verständnis aus dem Umfeld erhält – weil die Menschen es einfach nicht besser wissen, am wenigsten tatsächlich die Psychiater. Ich weiß, wie qualvoll und schrecklich sich das alles anfühlt!! Ich kann nur sagen: ein Schritt nach dem anderen, ein Tag nach dem anderen. All die Symptome, die Du hast, sind Teil des Entzugs. Du drehst nicht durch und wirst auch nicht verrückt. Dein Gehirnstoffwechsel ist vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten mit weitreichenden Konsequenzen.

      Vielleicht hast Du die Möglichkeit, nur Teilzeit zu arbeiten? So habe ich es all die Jahre gemacht.. oder Du lässt Dich erstmal eine Weile krankschreiben, aber mir hat die Arbeit meistens auch ein wenig dabei geholfen, mich abzulenken und nicht komplett im „Sumpf“ zu versinken.

      Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du durchhältst, und wünsche Dir dabei ganz viel Kraft und Mut!!
      Alles Liebe,
      Deine Marie

  11. Liebe Marie,

    ich habe deinen Bericht gelesen, ich bin von 75 Venlafaxin seit Januar jetzt bei 21,5 , Kügelchen Methode. Die letzte Stufe habe ich wieder erhöht, da schlimme Ängste und Depressionen da waren. Letzte Woche ganz schlimm, obwohl ich ja wieder hoch bin. Ich habe schon 2 mal mit Dr. Ansari telefoniert, dem ich so dankbar bin. Ich werde mal wieder einen Termin vereinbaren. Brain zaps sind durch und auch diese ganz schlimmen Berge vor dem nächsten Tag sind durch, Alpträume auch zum Glück. Was ist gerade habe sind so Art Nervenschmerzen in den Fingern und Zehen, da sie vorher nie da waren, denke ich, dass das auch eine Frage der Zeit ist, dass sie verschwinden. Ich hab noch nen Berg vor mir, jetzt kommt der Herbst und Winter, da sollte ich auch noch langsamer machen mit der Reduzierung. Da kommt die Angst vor der Angst hoch und auch deine letzte Phase mit nur 5 Kügelchen, das macht mir große Angst. Kann man mir dir Kontakt haben? Es wäre schön, wenn du das liest und mir deine Einschätzung dazu geben könntest. Liebe Grüße Ute

  12. Liebe Ute,
    vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und den Bericht über Deine Absetzsymptome. Ich fühle sehr mit Dir!! Erst einmal darfst Du Dir auf die Schulter klopfen, dass Du bei 21mg angekommen bist!! Da hast Du schon richtig viel geschafft!. Das gilt natürlich für alle, die hier geschrieben haben – ehrt Euch für das, was Ihr schon geschafft habt! Ihr seid so unglaublich mutig!

    Ich kann Dich sehr gut verstehen. Es gab Zeiten in meinem Entzug, in denen ich ein halbes bis ganzes Jahr gar nicht reduziert habe, weil es mir einfach zu schlecht ging. Zu lange warten hilft allerdings auch nichts, da sich der Absetzprozess dadurch nur noch mehr in die Länge zieht. Sobald ich mich wieder einigermaßen stabil gefühlt habe, habe ich weitergemacht.

    Es tut mir leid, dass Dir mein Bericht über die letzten 5 Kügelchen Angst macht… aber weißt Du, ich glaube wirklich, dass die Verläufe und Symptome höchstindividuell sind. Es muss nicht so bei Dir laufen, vielleicht machst Du eine ganz andere Erfahrung. Ich hatte z.B. nie Brain Zaps, was ja die meisten haben. Verliere nicht den Mut! Alle Symptome, die ich hatte, sind mit der Zeit verschwunden! Es braucht sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute!

    Ich biete eigentlich keine Begleitung an, aber wenn Du Dich einmal ausführlicher mit mir austauschen möchtest, dann lass Dir von Herrn Ansari gerne meine E-Mail Adresse geben.
    Alles Liebe für Dich,
    Deine Marie

  13. Hallo Marie,
    danke für deine Geschichte! Und Hut ab, dass du es geschafft hast, sehr mutig von dir!!!
    Hast du für 37,5mg 6 Jahre benötigt?
    Ich bin nun leider zum zweiten Mal bei ca 34mg mit dem Entzug gescheitert, obwohl ich die 10% Methode benutzt habe 😥 nun bin ich bei 50mg und stabilisiere mich, dieses Mal dauert es nur ziemlich lange. Sollte wohl nur 5% absetzen, wenn ich mich überhaupt noch wage es zu tun.
    Habe dieses mal knapp 10kg verloren und bin nun recht dünn. Muss erstmal Kraft tanken und es macht mir alles so viel Angst 😭
    Liebe Grüße Inga

  14. Liebe Inga,
    ich danke Dir sehr für Deinen Kommentar, liebe Inga, und fühle sehr mit Dir!! Warst du schon bei Null angekommen oder wurde der Entzug schon vorher unerträglich? Auf jeden Fall kannst Du Dir wirklich auf die Schulter klopfen – es braucht sooo viel Mut, Willenskraft und Durchhaltevermögen, um sich auf den medikamentenfreien Weg zu begeben! Und leider gehören auch Rückschläge dazu… mein erster Absetzversuch von 37,5mg ist bei mir damals auch gescheitert. Ja, 10% waren bei mir auch oft zu große Schritte und vor allem musste ich oft lange pausieren. Manchmal blieb ich dann fast ein Jahr lang auf der neuen Dosierung, weil ich mich nicht stabil genug fühlte. Deswegen hat es auch so lange gedauert, aber lieber langsam und vorsichtig, als zu schnell und dann wieder von vorne anfangen zu müssen. Das Problem mit dem Gewicht kenne ich auch… Ich hatte während des Entzugs kaum Appetit, aber wichtig ist, trotzdem regelmäßig zu essen und auf seinen Körper zu achten. Es darf auch mal ein bisschen mehr Schokolade sein 🙂 Ich wünsche Dir alles Liebe und weiterhin ganz viel Kraft!! Du schaffst das!! Herzlichst, Marie

  15. Liebe Marie,
    danke für deine Ehrlichkeit zu teilen.
    Ich nehme seit 15 Jahren Venlaflaxin und bis es seit langem, langsam am absetzen.
    Ich kann deinen Leidensweg sehr gut verstehen, denn mir geht es ähnlich,
    Aber es gibt ein Ziel:-)
    Danke für das Mut machen.

    Lg Al

    1. Vielen Dank für Deinen Kommentar, liebe / lieber Al!! Sehr gerne, bleibe dran und glaube an Dich! Auch wenn der Weg noch so schwierig ist und viel Mut erfordert – er lohnt sich, denn es ist die Heimkehr zu Dir selbst und Deiner Seele.

      Alles Liebe für Dich, Marie

  16. Ein sehr ehrlicher und gleichzeitig auch schockierender Bericht, für den ich dankbar bin, der mir aber auch Angst macht, denn ich stehe ( wieder einmal ) noch VOR dem Weg OHNE Venlafaxin… Auch ich habe bereits mehrfach versucht, es abzusetzen – über die letzten 15 Jahre immer wieder 37,5mg-75mg genommen und abgesetzt… Und immer wieder fiel ich in die depressiven Episoden und Panikattacken zurück und der Psychiater, so wie der Amtsarzt bestätigten mir, dass ich mein Leben nur mit Hilfe ständiger medikamentöser Unterstützung leben können würde… Irgendwann glaubt man das auch – es wurde mir ja immer wieder vor Augen geführt, dass es OHNE nicht geht!! Und dann noch die Gefühle des absoluten „Versagens“, wenn ich wieder beim Psychiater stand und erneut beginnen musste, Venlafaxin zu nehmen… Und genau wie hier geschildert, erklären auch mich Familie und Freunde für verrückt und psychisch-unberechenbar, wenn ich erkläre, dass ich runter will von dem Zeugs und ich dann aber wieder zum „schlimmsten Alptraum meiner Selbst“ mutiere, sobald das Medikament reduziert wird… Keine Unterstützung vom Psychiater ( war gerade erst wieder da und die hochgezogene Augenbraue sagte alles, als ich erklärte, dass ich zumindest von 75mg auf 37,5mg runter dosieren möchte…), keine Unterstützung aus dem näheren Umfeld – ich stehe da allein – und wenn ich wieder scheitere, dann sagen alle : „…siehst Du, haben wir Dir doch gesagt!!“ Was soll ich machen??? Mal abgesehen von der Angst, die ich JETZT schon empfinde, wenn ich an die Entzugssymptome denke und die dunklen Löcher, die auf mich zukommen… Ich hoffe, dass ich mich mit Hilfe von Tryptophan, Sam-e, Johanniskraut u.ä. vielleicht etwas abfangen und retten kann, aber da schreit dann jeder „Serotoninsyndrom!!!!!!!“ …. Das andere Menschen es durchaus bereits geschafft haben, macht mir Mut, aber dass der Weg zur Befreiung so lange und schwer wird, macht mir wiederum so viel Angst…. Wo finde ich Hilfe, Begleitung und Unterstützung ??? Warum gibt es keine Klinik in Deutschland, die sich auf den Entzug von Antidepressiva spezialisiert hat?? Weil es ja keinen Entzug geben muss, wenn man eine Abhängigkeit abstreitet – klar!!!

    1. Liebe Nicole,
      ich verstehe Deine Verzweiflung und Ängste so gut und weiß, wie schwer dieser Weg ist! Alles, was Du schilderst, kann ich zu 100% nachempfinden und bestätigen!! Genauso habe ich es ja auch erlebt. Ja, es wäre tatsächlich soooo wünschenswert, wenn die Absetzproblematik endlich mehr Anerkennung finden und es entsprechende Kliniken geben würde.
      Es tut mir leid und ich kann gut verstehen, dass Dir mein Bericht Angst macht. Gleichzeitig hat es mir beim Absetzen immer geholfen, die Entzugsgeschichten von andere Betroffenen zu lesen, auch wenn sie oft schrecklich und beängstigend klingen. Dadurch fühlte ich mich weniger alleine, fand Bestätigung darin, dass es entgegen der Meinung meines Umfelds und der Ärzte tatsächlich Entzugssymptome sind und dass ich nicht verrückt werde. Aus diesem Grund schildere ich meinen Weg auch so ehrlich, aber es ist eben meine ganz persönliche Geschichte, die nicht auf Dich übertragbar ist. Dein Entzug wird vielleicht ganz anders ablaufen.
      Ich wünsche Dir von Herzen, dass er erträglich sein wird und Du nie den Glauben daran verlierst, dass auch Du es schaffen kannst. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, Zuversicht und Menschen an Deiner Seite, die Dich unterstützen. Auch wenn der Entzug oft ein sehr einsamer Weg ist, so kann ich aus der Retroperspetive sagen, dass wir nie alleine und immer von oben beschützt und behütet sind.
      Alles Liebe für Dich.
      Herzlichst, Marie

  17. Liebe Mari, liebe Mitlesenden, liebe Leidenden,

    danke für diesen wunder-, wunderschönen Artikel – und ich kann den Kommentarschreiber/ -innen hier nur beipflichten: erstens, dieser Artikel sollte Pflichtlektüre für alle Ärzte, Psychologen etc. sein und zweitens, ich kann jeden Absatz, alles Geschriebene genau nachempfinden und genau so unterzeichnen.

    Ich stecke selbst mitten im Absetzprozess von jahrelanger Venlafaxineinnahme, von derich zuletzt nur noch die 37,5 Erhaltungs- oder Einschleich Dosis nahm. Ich nehme seit über 15 Jahren fast ununterbrochen Psychopharmaka.

    Heute war seit langem Mal wieder so ein Tag, wo nichts mehr ging…es hatte sich schon einige Zeit lang angebahnt und heute war es dann soweit, dass ich nicht mehr aufstehen wollte, total an mir zweifelte, mich krank melden musste und das ganze Absetzen abermals in Frage stellte. Bei all diesen Zweifeln und Suchen im Netz stoss ich justamente auf Marie‘s Artikel, der mir wieder Mut gibt, dass es doch einen Ausweg gibt. Danke dafür!!! Besser könnte ich das ganze Ausmaß dieses Leidensweges nicht in Worte fassen.

    Wie Du, Marie, glaube ich tief im Inneren an die Stimme der Seele und daran, dass dieser Weg wohl einen Sinn hat und eben mein Schicksal ist, auch wenn ich diesen Sinn ganz oft nicht sehe und mittlerweile fast das Leben verfluche. Es ist – genau wie Du schreibst – ein sehr einsamer und sehr schmerzhafter Weg und mittlerweile auch mit vielen körperlichen Höllenqualen. Innerlich schreit es eigentlich nur immerzu „ich kann nicht mehr“ und das schon seit vielen vielen Jahren.

    Ich bin jetzt pi mal Daumen bei der Hälfte von 37,5 mg (Kügelchenmethode) – ich arbeite mit einem privaten Coach, den ich teuer bezahle und musste schon ein paar Mal zurück schrauben. Es gab schon sehr gute Fortschritte und gute Wochen voller Optimismus und Zuversicht. Dann wieder totale Verzweiflung, Schmerzen, körperliche Baustellen, Rückschritte (Innehalten oder sogar etwas hoch dosieren wieder).

    Sollte ich es schaffen – und daran glaube ich wie Marie, werde ich ein anderer Mensch sein; und vor allem werde ich, wann immer ich die Chance dazu habe, andere Menschen auf Ihrem Weg unterstützen.

    Sollte ich scheitern – werde ich auch dieses mein Schicksal akzeptieren, aber erst eben dann – bis dahin werde ich nichts unversucht lassen, nichts.

    Danke für das Mut machen, die Zuversicht, das Outing, das Aufmerksam machen auf diese Missstände in unserer Gesellschaft und unserm Gesundheitssystem, das Kraft geben, das Verbundensein.

    An alle Sinn Suchenden: wir können es nicht beschleunigen, es dauert eben so lange es dauert. (Dies nur eben eine der vielen Einsichten, die ich in diesem Prozess lernen muss).

    Liebe Grüße,
    Caro

  18. Liebe Caro,
    ich danke Dir sehr für Deine berührenden Zeilen. Ich fühle mich Dir sehr verbunden, da ich jedes einzelne Wort zutiefst nachempfinden und bestätigen kann. Und ich fühle unendlich mit Dir, weil Du schon seit vielen Jahren diesen so schmerzhaften und einsamen Weg beschreiten musst.

    Damals wurde mir von einer Therapeutin ein Lied vorgesungen, dass mich unglaublich bewegt und gestärkt hat… zeitweilig habe ich es täglich angehört.
    One Day At A Time Lyrics – Lynda Randle
    „One day at a time, sweet Jesus
    That’s all I’m asking of You
    Just give me the strength to do everyday
    What I have to do
    Yesterday’s gone, sweet Jesus
    And tomorrow may never be mine
    Lord help me today
    Show me the way
    One day at a time“

    Ein Tag nach dem anderen, Schritt für Schritt…im Vertrauen bleiben, dass Deine Seele Dich leitet und die Kraft hat, zu heilen. Du kannst unendlich stolz sein, inzwischen bei der Hälfte von 37,5mg angekommen sein. Das ist ein Riesenerfolg!! Ich sende Dir ganz viel Kraft – auch Du wirst es schaffen, Du mutige Seele! Alles Liebe, Deine Marie

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