Es gibt keine Antidepressiva
Es gibt keine antidepressiven Medikamente. Die Fakten sind bekannt.
Wie schön wäre es, wenn es Medikamente geben würde, die nach der Einnahme zuverlässig die Erkrankung Depression beenden würden. Sollten diese Medikamente dann auch noch Antidepressiva, müsste man erwarten, dass sie genau so zuverlässig wirken, wie die Antibiotika, die zuverlässig gegen bestimmte Bakterienerkrankungen wirken. Oder Anti-Inflammatorische Medikamente, die zuverlässig gegen Entzündungen wirken oder Anti-Diabetika, die bei Diabetes helfen.
Der Name Antidepressiva führt in die Irre. Nicht nur weil die Medikamente auch bei allen möglichen anderen psychischen Störungen, wie zum Beispiel Angsterkrankungen, posttraumatischen Beschwerden, Zwangsstörungen und vielen weiteren eingesetzt werden (das passiert bei Antibiotika und Anti-Diabetika bekanntlich nicht). Sogar in der eigentlichen Kerndisziplin, der Behandlung von Depressionen, hat die klinische Prüfung immer wieder gezeigt, dass es nicht zuverlässig gelingt, Menschen damit von Ihren Depressionen zu befreien. Häufig genug haben bei diesen Prüfungen Placebos genauso abgeschnitten wie die Antidepressiva oder sogar besser.
Deshalb wurde immer wieder versucht, eine bestimmte depressive Patientengruppe zu finden, bei denen eine Wirkung zuverlässiger eintritt. Doch sämtliche Versuche – egal ob genetisch, molekularbiologisch oder per Diagnose definiert sind gescheitert. Nie konnte bei solchen Versuchen vorhergesagt werden, ob das Medikament bei einer bestimmten Gruppe zuverlässiger wirkt. Das ist letztendlich auch der Grund, weshalb sich alle forschenden Pharmaunternehmen aus dem Bereich Antidepressiva zurückgezogen haben. Deshalb gibt es auch seit Jahrzehnten keine neuen Antidepressiva. Doch die Wahrheit ist noch etwas schmerzhafter:
Es gab noch nie echte „Antidepressiva“. Die gibt es genauso wenig, wie es Anti-Aging Produkte gibt.
Es gibt viele Menschen, die Anti-Aging Produkte anwenden. Sie kümmern sich mehr um ihre Gesichtshaut, sie cremen sie liebevoll und vorsichtig ein und es zeigt sich ein Effekt. Der Haut geht es besser.
Antidepressiva funktionieren auf dieselbe Art. Jedoch haben sie viele Nebenwirkungen und manche Leute vertragen sie überhaupt nicht. Das Prinzip bleibt: Die Menschen müssen zuerst akzeptieren, dass sie eine Erkrankung haben, dann die Bereitschaft entwickeln, Schritte dagegen zu unternehmen und dann wird die Erkrankung bei vielen besser.
Aber es macht keinen Unterschied, ob man dafür eine 500 Euro teure Creme einsetzt oder eine günstige Nivea.
Bei Antidepressiva ist dieser Effekt seit 1998 bekannt. Damals untersuchte der Harvard Professor Irving Kirsch die Daten von klinischen Depressions-Studien und bemerkte, dass jedes Medikament, das Nebenwirkungen hat, gleichartig auf die Depression der Patienten wirkte. Egal ob es sich um ein Schilddrüsenhormon, ein Schlafmittel, ein Antidepressivum oder ein Beruhigungsmittel handelte.
Moderne Antidepressiva versuchen den Botenstoff Serotonin zu beeinflussen. Die Idee, dass Serotonin etwas mit Depressionen zu tun hat, ist in den 1960er Jahren entstanden. Damals vermutete der schwedische Forscher Arvid Carlsson, Serotonin würde die Stimmung von Menschen beeinflussen. Er entwickelte ein Medikament (Zimeldine), in das viele Forscher eine Hoffnung setzten, doch es floppte und wurde nach nur einem Jahr vom Markt genommen.
Carlssons Vermutung, eine Erhöhung der Serotoninkonzentration könne eine depressive Erkrankung beenden oder zumindest die Stimmung positiv beeinflussen, wurde in den frühen 80er Jahren wissenschaftlich widerlegt. Damals gelang es, die Serotoninkonzentration in Gehirnen von „normalen“ und von schwer depressiv erkrankten Menschen zu messen. Es zeigte sich, dass viele schwer depressive Menschen höhere Serotonin-Werte aufwiesen, als gesunde Menschen.
Man konnte damals messen, dass die Medikamente die Serotonin-Werte erhöhten (schließlich sind viele Antidepressiva Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer), doch die Depression der Patienten besserte sich dadurch nicht. Genauso wenig hatten Menschen, die mit einer schweren Depression eingeliefert wurden und später als geheilt entlassen wurden, beim Entlassungstermin höhere Serotoninwerte, als zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme.
Nicht Depression, sondern Sexualität.
Seit 2009 weiß die internationale Forschergemeinschaft, dass Serotonin zu den Botenstoffen zählt, die die Sexualität und das Aggressionsverhalten beeinflussen. Das entdeckte der Berliner Professor Michael Bader. Er stellte gentechnisch veränderte Mäuse her, denen das Enzym TPH2 fehlt, wodurch sie kein Serotonin im Gehirn herstellen können. Eine chinesische Arbeitsgruppe wiederholte das Experiment von Bader und berichteten, ihre Tiere wären regelrecht enthemmt. Obwohl die Arbeit im hochangesehenen Fachjournal Nature erschien, war dort zu lesen, die Tiere – ohne Serotonin im Gehirn – seien homosexuell geworden. Andere Gruppen berichteten, sie hätten vor allem bei Weibchen eine sexualitätssteigernde Wirkung beobachtet. Diese Erkenntnisse führten dazu eine Sexpille für Frauen zu entwickeln (Flibanserin), deren Wirkung auf einer Absenkung der Serotoninkonzentration beruht. Doch es zeigte sich, dass die Sexualität bei Menschen etwas komplizierter ist, als bei Ratten. Die Pille floppte, denn viele Nutzer hatten vor allem Nebenwirkungen aber nicht die erwünschte Hauptwirkung.
Umgekehrt gilt für eine Steigerung der Serotonin-Konzentration im Gehirn:
Bereits seit mehr als 20 Jahren ist zudem bekannt, dass die häufigste Wirkung von serotonin-steigernden Antidepressiva bei Menschen die Erzeugung von sexuellen Funktionsstörungen ist. Viele Menschen verlieren bei einer Serotoninsteigerung das Interesse an Sex. Andere sind verzweifelt, weil sie dadurch impotent geworden sind oder unter Anorgasmie leiden. Sie können leichter eine Depression entwickeln, da unter der Medikation jetzt nicht einmal mehr das gelingt, wodurch sie sich früher zuverlässig besser gefühlt haben.
Wie wirkt sich dieses Wissen auf den Verkauf und die Akzeptanz von Antidepressiva aus? Gar nicht. Menschen, die in Deutschland unter Depressionen leiden, werden weiterhin mit serotoninsteigernden Medikamenten behandelt. Es sind mittlerweile 5,3 Millionen Menschen. Tendenz steigend.