Eli Lilly – Fluctin (Prozac / Fluoxetin) – ein Antidepressivum?
Fluctin war lange Zeit das weltweit meistverkaufte Antidepressivum. In den USA löste es unter seinem Handelsnamen Prozac einen Boom unter verschreibungspflichtigen Medikamenten aus.
Das Molekül Fluoxetin (Prozac)
David Healy: Let them eat Prozac
Ist das vermutlich bestrecherchierte Buch über Prozac (Fluoxetin)
Von dem Medikament Prozac, sollten nicht nur depressive Menschen profitieren. Das Medikament wurde zum Blockbuster, weil es den Marketingexperten von Lilly gelang auch die gesunden Menschen anzusprechen. Mit der Pille, behaupteten sie, würden sich die Menschen „Besser als gut“ fühlen. Diese Botschaft verbreiteten sie in Büchern wie Peter Kramers „Glück auf Rezept“ oder in Filmen wie „Prozac Nation“.
Zum Zeitpunkt der Entwicklung des Medikaments – war diese Karriere – nicht vorhersehbar.
Erstmals wurde das Medikament im Jahr 1971 von Brian Molloy in Indianapolis synthetisiert und von David Wong weiter modifiziert. Im Jahr 1975 erhielt die chemische Struktur den Namen Fluoxetine. – Das war lange, bevor es eine moderne Gehirnforschung gab.
Es folgten zahlreiche Jahre, in denen die Firma mögliche Anwendungen der Substanz prüfte. In einer Konzentration von 60mg sollte es gegen Übergewicht und Essstörungen helfen, versagte dabei jedoch. Es wurde als Antipsychotikum getestet und versagte dabei. Das Medikament wurde sogar bereits damals von Herbert Meltzer als Antidepressivum getestet, aber auch dabei versagte es. David Healy berichtet in seinem aufwendig recherchierten Werk „Let them eat Prozac“ über die Geburtsstunde des kontroversen Medikaments.
Noch bevor das Medikament im Dezember 1987 seine Zulassung in den USA erhielt, führte Eli Lilly in Schweden und in Deutschland im Jahr 1984 Studien durch.
Das damalige Bundesgesundheitsministerium lehnte den Zulassungsantrag ab und schrieb:
„Das Medikament erscheint vollkommen ungeeignet für die Behandlung von Depressionen“ Quelle: Lilly Fax
- Fluctin wurde im Rahmen von Zulassungsstudien an 1427 depressiven Patienten in 46 deutschen Studien getestet.
- 25 Studien wurden wegen der starken Nebenwirkungen (bei bis zu 90 Prozent der Patienten) nicht abgeschlossen.
- 16 Suizidversuche wurden beobachtet
- Zwei davon wurden vollendet
- Die Studienautoren schrieben, dass die Suizidabsichten offensichtlich durch das Medikament verstärkt wurden, da suizidale Patienten von der Studie ausgeschlossen waren.
- Abschliessender Satz: „Considering the benefit and the risk, we think this preparation totally unsuitable for the treatment of depression.“
Sechs Jahre später erhielt das Medikament – in unveränderter Form – seine Zulassung in Deutschland zu diesem Zeitpunkt war der Zulassungsantrag bereits ein weiteres, zweites Mal ablehnend beschieden worden. Die Süddeutsche Zeitung hat darüber ausführlich berichtet (Link).
In den frühen 80er Jahren hatte John Virapen, der damalige Leiter von Eli Lilly in Schweden, 10.000 Dollar für die Zulassung von Fluctin gezahlt. Er zahlte das Geld an den Psychiater, der die Empfehlung für die Zulassungsbehörde schreiben sollte. Eine Mitarbeiterin von Lilly „half“ dem Psychiater dann die Studienergebnisse zu beschönigen, dafür waren viele statistische Eingriffe notwendig. Obwohl der Name des Psychiaters mittlerweile bekannt ist, wurde dieser Psychiater nicht wegen Bestechlichkeit verurteilt (Link). Virapen erklärte später in seinem Buch Nebenwirkung Tod, dass auch in Deutschland „unorthodoxe“ Lobbymethoden angewendet wurden, damit das Medikament im Jahr 1990 seine Zulassung erhalten konnte.
Keine Hoffnung auf eine Veränderung der Psychiatrie von oben: Im Jahr 2013 veröffentlichten Forscher der Harvard Medical School eine Liste der innovativsten Medikamente der vergangenen 25 Jahre. Auf Platz Eins im Bereich Psychiatrie landete: Prozac (Link). Nach Angaben der Forscher hätte das Medikament, die Psychiatrie wie kein anderes Medikament zuvor verändert.
Erstaunlicherweise kritisierten die Forscher nicht die Korruption, die zeitgleich mit dem Medikament in die Psychiatrie eingezogen war, sondern lobten die angeblich „verbesserte Wirksamkeit“ und den „neuen Wirkmechanismus“ (obwohl das Medikament „Zimelidine“ diesen Wirkmechanismus bereits sechs Jahr zuvor eingeführt hatte und es noch immer keinen Beleg für eine „überlegene Wirkung von Fluoxetin gegenüber den älteren Antidepressiva gibt) – Für Depression-Heute gehörte diese Nachricht zu den traurigsten neueren wissenschaftlichen Veröffentlichungen: Innerhalb der Psychiatrie findet kein Umdenken und keine Selbstkritik statt (in Deutschland genauso wenig). Die Vordenker in den besonders hoch angesehenen Universitäten raten weiterhin zweifelhafte Medikamente einzunehmen, die noch nie in qualitativ hochwertigen und unabhängigen Studien eine gute Wirksamkeit gezeigt haben. Es findet keine kritische Reflektion statt.