Einmal Antidepressiva, immer Antidepressiva
Unter Ärzten ist es ein geflügeltes Wort: „Einmal Antidepressiva, immer Antidepressiva“. Sie verstehen darunter: Wenn man einem Menschen einmal Antidepressiva verschreibt, so wird er die Medikamente für den Rest seines Lebens einnehmen.
Ärzte wissen demnach, dass bei vielen Patienten eine Abhängigkeit eintritt, wenn sie ihnen Antidepressiva verschreiben.
Tatsächlich kann man die steigende Abhängigkeit auch an der jährlichen Zunahme der Antidepressiva-Verordnung in Deutschland ablesen.
Jedes Jahr kommen neue Patienten hinzu, vielen von ihnen gelingt es nicht, die Tabletten jemals wieder abzusetzen, deshalb steigt jedes Jahr die Verschreibungsmenge der Antidepressiva. Für die Anbieter der Medikamente ist das natürlich sehr lohnenswert.
Ein wichtiger Punkt der den Herstellern der Medikamente in die Hände spielt ist die verzögerte Absetzproblematik.
Die verzögerte Absetzproblematik bedeutet: Die Patienten setzen ihre Medikamente innerhalb von drei Wochen oder zwei Monaten ab. Anfänglich geht es den Patienten dabei sogar kurzzeitig besser als zuvor, da sich ein anderes Körpergefühl einstellt – aber wenige Wochen später setzt ein körperlicher Ausnahmezustand ein, der alles in den Schatten stellt, was der Patient zuvor erlebt hat. Die Folge: Die Medikamente werden erneut angesetzt (der Depressionskreislauf).
Der dänische Arzt Peter Gøtzsche erhielt unlängst Einblick in die Verschreibungshäufigkeit von Menschen, denen in Finnland SSRI-Antidepressiva verordnet wurden. Knapp 45 Prozent von Ihnen nahmen auch fünf Jahre nach der Erstverschreibung noch immer dasselbe Medikament ein (Peter Gøtzsche, Tödliche Psychopharmaka S. 264 oder in dieser Präsentation auf dem Slide S.19). Das bedeutet: 45 Prozent der Menschen, denen ein Mal Antidepressiva verschrieben wurde, ist es auch nach fünf Jahren nicht gelungen, von dem Mittel loszukommen … das ist so dramatisch, dass man es noch ein drittes Mal hintereinander aufschreiben könnte … verbunden mit der Bitte an die gesetzlichen Krankenkassen AOK, TK, DAK und Barmer doch mal die eigenen Datenbestände zu prüfen: Haben wir in Deutschland eine ähnliche Situation?
Eine lebenslange Einnahme von SSRI-Antidepressiva bedeutet für die Patienten häufig, sie müssen für den Rest ihres Lebens auf ein funktionierendes Sexualleben verzichten. Später kommen möglicherweise Herzprobleme dazu oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Fragen:
- Sollten Patienten vor einer Verschreibung auf das mögliche Abhängigkeitsrisiko hingewiesen werden?
- Sollten Patienten Hilfsangebote erhalten, damit sie sich aus der Abhängigkeit befreien können?
Links
https://www.depression-heute.de/absetzen-von-psychopharmaka/
https://www.welt.de/gesundheit/plus193123393/Antidepressiva-Wie-man-die-Medikamente-richtig-absetzt.html
https://www.zeit.de/2019/53/antidepressiva-psychische-krankheit-absetzen-beschwerden
https://www.tagesspiegel.de/themen/geist-und-seele/psychopharmaka-keine-wunderpillen/13429798.html
https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/gesundheit/Antidepressiva-nicht-zu-frueh-absetzen-id16305336.html
https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/pflege/ausschleichen-von-medikamenten-1058546
http://www.medizin-transparent.at/antidepressiva-absetzen
https://www.test.de/medikamente/wirkstoff/antidepressivum-mirtazapin-w1048/
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4905551
https://kobinet-nachrichten.org/2021/01/26/kompetente-hilfe-beim-absetzen-von-antidepressiva-und-neuroleptika/
https://www.dgsp-ev.de/veroeffentlichungen/broschueren/neuroleptika-reduzieren-und-absetzen.html
http://www.peter-lehmann.de/absetzen2018.pdf
http://dx.doi.org/10.1016/j.psychres.2017.07.003
https://doi.org/10.1177/2045125321991274
https://doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30032-X
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