Der Fisch stinkt vom Kopf – Wie denken die Chefs?

Tödliche Medizin

Wie denken Menschen, die alles unternehmen, damit in Deutschland immer mehr Menschen Antidepressiva einnehmen?

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Peter Gotzsche stellte uns eine ins englische übersetzte Version das Interviews zur Verfügung. In seinem aktuellen Buch wird das Interview ebenfalls kurz erwähnt. Es ist im November auf deutsch erschienen.

Die Firma Lundbeck ist der erfolgreichste Anbieter von Antidepressiva in Deutschland

Wer kurbelt den Verbrauch von Antidepressiva-Verbrauch am stärksten an? In Deutschland ist es der Firma Lundbeck gelungen, das Medikament Citalopram zum erfolgreichsten Antidepressivum zu machen – obwohl es nicht besser wirkt, als die anderen Mittel.

Wie hat die Firma Lundbeck das geschafft? Eine gute Frage, denn die Firma ist vergleichsweise klein. Sie hat ihren Sitz in Dänemark. Vor vielen Jahren hat sie den Wirkstoff Citalopram entwickelt, den sie in den Antidepressiva Cipramil und Escitalopram vermarktet. Citalopram ist der am häufigsten verschriebene Wirkstoff bei Depressionen. Etwa jede dritte Verordnung eines Antidepressivums in Deutschland betrifft den Wirkstoff Citalopram. Aber nicht etwa, weil der Wirkstoff besser gegen Depressionen wirkt als andere Antidepressiva – die wirken alle gleich … gut.

Der Chef (CEO) von Lundbeck war bis zum 24.11.2014 Lundbeck Ulf Wiinberg. ( Die Aufgabe des CEOs ist relativ einfach umrissen: Er muss der gesamten Welt erklären, dass ein kleines Molekülchen gegen jede noch so komplizierte Depression hilft. Egal ob bei Männern oder Frauen, Jungen oder Alten, Dunkelhäutigen oder Hellhäutigen, Sportlichen oder Unsportlichen, ja noch nicht mal die Ursache spielt eine Rolle. Es ist vollkommen egal ob Sie die Depression entwickelt haben, weil sie an Multipler Sklerose erkranken, ihr Partner stirbt, sie gekündigt wurden, Ihre Kinder ihnen verbieten die Enkelkinder zu sehen – alles egal: Citalopram hilft.

Halt, mag jetzt mancher rufen. So einfach ist doch keiner gestrickt. Wer glaubt denn so was? Natürlich die Psychiater, sonst würden sie dieses Citalopram-Molekül nicht so häufig verschreiben.

Aber was denkt Ulf Wiinberg über das Medikament? Hat er Gewissensbisse, weil er aus internen Studien weiß, dass sein Medikament auch Schattenseiten hat. Und weil ihm dies bereits einige Gerichte nachweisen konnte, deshalb sogar schon Millionenstrafen, genauer 313 Millionen Dollar und 93,8 Millionen Euro zahlen musste. Haben die Strafen und die Anerkennung der Schuld sein Denken verändert?

Peter Gotzsche, Professor, Mediziner und Leiter des Nordic Cochrane Instuts in Kopenhagen hat Depression-Heute ein Interview mit Ulf Wiinberg in englischer Übersetzung zugesendet. Das Interview wurde am 12. Mai 2011 von dem dänischen Radiosender Videnskap.dk ausgestrahlt. Die Fragen stellte die Journalistin Solveig Bjornestad. Sie erwartete von Wiinberg Antworten zum Thema Suizide und Jugendliche. Aber …

Wiinberg: Es gibt keine Beweise dafür, dass Antidepressiva die Anzahl an Suiziden erhöhen. Es gibt lediglich den Hinweis, dass Antidepressiva die Wahrscheinlichkeit von Suizidgedanken erhöhen, jedoch gibt es keinen Zusammenhang zwischen suizidalen Gedanken und Suiziden. Tatsächlich gehe ich davon aus, dass durch eine antidepressive Medikation das Suizidrisiko sinkt.

Bjornestad: Aber wenn eine antidepressive Medikation so hilfreich ist, wie erklären Sie dann die Warnhinweise auf den Verpackungen, die auf ein erhöhtes Suizidrisiko hinweisen? Müssten Sie nicht die Verantwortlichen darauf hinweisen, dass es einen Unterschied gibt, zwischen suizidalen Gedanken, Suizidversuchen und Suiziden?

Wiinberg: Die wissen darüber Bescheid.

Bjornestad: Und die Verantwortlichen schreiben trotzdem erhöhtes Suizidrisiko und nicht „nur“ suizidale Gedanken?

Wiinberg: Entschuldigen Sie, ich möchte die Produkthinweise hier nicht in Frage stellen, ich sage lediglich, dass ich hier über echte Suizide rede und nicht über suizidale Gedanken und Suizidversuche.

Bjornestad: In Dänemark nehmen immer mehr Kinder und Jugendlichen Antidepressiva ein. Innerhalb von wenigen Jahren ist die Zahl von 2200 auf 13000 angestiegen. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Wiinberg: Wir vermarkten Antidepressiva nicht an Jugendliche, da es hier keine Indikation dafür gibt. Unsere Antidepressiva sind nur in den USA für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. Es gibt jedoch trotzdem Daten und Studien, die demnächst erscheinen werden und dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass Ärzte und Eltern versuchen werden, ernsthaft erkrankten Kindern zu helfen.

Bjornestad: Aber sie wissen schon, dass es wichtig ist, was ihre Pharmareferenten den Ärzten über die Medikamente erzählen.

Wiinberg (nach einer langen Pause): Ich, also, wir haben dafür keine Zulassung und deshalb vermarkten wir die Medikamenten nicht für Jugendliche.

Bjornestad: Dann könnten sie doch hier direkt an die Ärzte eine Empfehlung aussprechen, diese Medikamente nicht Jugendlichen zu verschreiben:

Wiinberg: Wir können die Medikamente nicht vermarkten, wir haben dafür keine Zulassung und deshalb vermarkten wir sie auch nicht dafür.

Bjornestad: Aber wenn Ihre Pharmareferenten zu den Ärzten gehen, dann raten diese den Ärzten auch nicht davon ab, Antidepressiva an Jugendliche zu verschreiben?

Wiinberg: Wenn die Ärzte Informationen benötigen, können sie Zugang zu den vorhandenen Studien erhalten.

Bjornestad: Also sie erklären den Ärzten nicht, dass Antidepressiva bei Jugendlichen eingesetzt werden können. Kommen die Ärzte dann von alleine auf diese Idee?

Wiinberg: Wir sollten es nicht tun.

Bjornestad: Würden Sie über Ihre Pharmareferenten aussagen, dass sie dies nicht tun?

Wiinberg: Wir halten uns sehr sorgfältig an ethische Leitlinien, die unsere Arbeit betreffen und die Art und Weise, wie wir etwas vermarkten. Wir und unsere Pharmareferenten müssen uns im Einklang mit der jeweiligen Indikation für ein Medikament in allen Land befinden.

Depression-Heute: Das ist sehr interessant, da eine Studie der dänischen Ärztekammer berichtete, dass 52 Prozent der befragten Ärzte erklärten, dass ihnen Pharmareferenten rieten ihr Medikament könne auch außerhalb der Indikation eingesetzt werden und 34 Prozent berichteten, dass in bislang noch unveröffentlichten Studien sehr gute Ergebnisse für den Gebrauch bei dieser Erkrankung vorlägen. – (Genau wie Ulf Wiinberg in seiner vierten Antwort – wie war das noch mit dem Fisch und dem Geruch?)

… und es gibt wirklich keinen Zusammenhang zwischen Suizidgedanken und Suizid??? Nein, das glauben wir nicht. Aber wir empfinden es als unendlich traurig, dass trotz der vorliegenden Fakten immer noch viele Kinder- und Jugendpsychiater ihren Patienten Citalopram verschreiben. Die Psychiater könnten es besser wissen.

Was für Ergebnisse hat eigentlich die umfangreichste Studie zum Thema Wirksamkeit von Antidepressiva bei depressiven Kindern und Jugendlichen gezeigt? Die Besserungsrate unter Antidepressiva betrug 61 Prozent unter Antidepressiva und 50 Prozent unter Placebo.

 

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