Der Depressionskreislauf

Die Depressionsspirale von Antidepressiva

Depressionen treten immer häufiger auf. Wer heute an einer Depression erkrankt, muss befürchten innerhalb der nächsten drei Jahre ein weiteres Mal zu erkranken. Das war in früheren Zeiten anders, damals erkrankten die allermeisten Menschen nur einmal (Link) oder innerhalb von 10 Jahren zweimal (Link).

Möglicherweise ist die derzeit empfohlene Therapiemethode, bei der antidepressive Medikamente über einen sehr langen Zeitraum verschrieben werden, für die veränderte Situation verantwortlich. Antidepressive Medikamente können eine körperliche Abhängigkeit verursachen, aus der sich eine Depressionsspirale ergeben kann.

Fast alle Psychiater behaupten: Wer seine Antidepressiva „zu früh“ absetzt, erleidet einen Rückfall. Aber ist es nicht seltsam, dass sich so viele „Rückfalle“ ereignen, immer dann, wenn Menschen in einer stabilen Lebenssituation versuchen ihre Medikamente abzusetzen? Oder soll das jedes Mal ein Zufall sein?

Der Depressionskreislauf

Die Anzahl der Rückfälle von depressiven Patienten ist innerhalb der letzten Jahrzehnte dramatisch angestiegen. Heute beträgt die Rückfallwahrscheinlichkeit einer Depression 80 Prozent innerhalb von drei Jahren. Das heißt nur bei 20 Prozent der Patienten bleibt die Depression ein einmaliges Ereignis. In früheren Zeiten blieb die Depression für 60 Prozent der Patienten ein einmaliges Ereignis. Eine große Auswertung für die Region Hannover zeigte, dass bis 1969 die Erkrankung bei 70 Prozent der Patienten „nur“ einmal erfolgte.

Die starke Zunahme der Rückfälle fällt in die Zeitspanne der massenhaften und langandauernden Verschreibung von Antidepressiva. Der Zusammenhang liegt auf der Hand. Durch die kontinuierliche und stark verlängerte Verschreibung entsteht bei vielen Patienten eine körperliche Abhängigkeit. Dadurch gelingt das Absetzen der Medikamenten nicht und die Patienten werden in einen Depressionskreislauf getrieben.

Häufig haben die Patienten Antidepressiva wegen Problemen des Lebens verschrieben bekommen (und nicht wegen einer Depression). Als sie  versuchten die Medikamente abzusetzen, erlebten sie zum ersten Mal sehr schwere Symptome, die sie arbeitsunfähig machten. Diese Symptome (siehe Tabelle) verschwanden ein bis zwei Wochen, nach dem sie die Medikamente wieder ansetzten. Obwohl jeder weiß, dass eine Depression mehrere Monate andauert, wird auch im Nachhinein die zweiwöchige schwere Zeit stets als „Rückkehr der Depression“ gedeutet und nicht als „Absetzsymptom“.

Diese Symptome können beim Absetzen auftreten:

Absetzssymptome:

Muskelschmerzen

Stromschlagartige Empfindungen im Körper / Gehirn („brain zaps“)

Grippeartige Schmerzen

Fieber

Schweißausbrüche

Schüttelfrost

Gleichgewichts-

störungen

Übelkeit

Erbrechen

Rastlosigkeit, Hyperaktivität

Erhöhte Reizbarkeit

Verwirrung

Aggressivität, erhöhte Gewaltneigung

Panikattacken

Dauerhafte Schlaflosigkeit

Stimmungs-schwankungen

Selbstverletzendes Verhalten

Selbstmordgedanken

Selbstmordversuch

Durchfälle

 

Depressionskreislauf
Nach einer überstandenen Depression geht es den Patienten wieder gut. Sie fühlen sich stabil und beschließen die Medikamente abzusetzen. Sie reduzieren die Medikamente ganz langsam, doch es geht ihnen dabei sehr schlecht und obwohl sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht weiter reduzieren, geht es ihnen kontinuierlich immer schlechter. Viele befinden sich in einen psychischen Ausnahmezustand. Nichts geht mehr.

Der Depressionskreislauf:

Nach einer überstandenen Depression geht es den Patienten wieder gut. Sie fühlen sich stabil und beschließen die Medikamente abzusetzen. Sie reduzieren die Medikamente ganz langsam, doch es geht ihnen dabei sehr schlecht und obwohl sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht weiter reduzieren, geht es ihnen kontinuierlich immer schlechter. Viele befinden sich in einen psychischen Ausnahmezustand. Nichts geht mehr.

In diesem Zustand raten ihnen ALLE: „Nimm deine Tabletten wieder ein! Damit warst du stabil. Du brauchst die Tabletten.“ Dieser Rat kommt von Hausärzten, Psychiatern, Lebenspartnern und den Angehörigen. Die Betroffenen reagieren widerwillig. Sie wissen, dass sie unter anderen, neuartigen Phänomenen leiden. Die Ursachen der Depression sind längst bewältigt. Die aktuellen Symptome haben eine deutliche körperliche Basis. Sie haben mit psychischen Befindlichkeiten oder einem Dauertief nichts zu tun. Jedoch sind die Symptome so schwer, dass sie kaum auszuhalten sind. Die Menschen verzweifeln. Irgendwann können sie nicht mehr.

Sie hören auf ihre Ratgeber und nehmen die Medikamente wieder ein. Nach wenigen Tagen geht es ihnen besser. Das Umfeld ist beruhigt. Die Ärzte fühlen sich bestätigt: „Sehen Sie mal, Sie haben die Medikamente zu früh abgesetzt, Sie brauchen die Medikamente noch.

Der Patient weiß, dass das nicht der Fall ist. Der Patient war stabil. Er hat die Medikamente abgesetzt in einer Zeit, in der es ihm gut ging. Die furchtbaren Symptome, die aufgetreten sind, waren Absetzsymptome. Es ist bei ihm genau das eingetreten, was bei einem Alkoholiker passiert, dem man seinen Stoff wegnimmt. Es geht ihm viel schlechter. Wenn er dann wieder trinkt geht es ihm erstmal besser.

Der Patient spürt, dass seine Erkrankung nicht wiedergekommen ist, aber niemand glaubt ihm.

Erstaunlicherweise behaupten fast alle Psychiater, sie wüssten nichts über dieses Phänomen, obwohl sie es schon so häufig bei ihren Patienten beobachtet haben. Durch ihre Ausbildung müssten sie eigentlich wissen, dass eine Depression nicht plötzlich aus dem Nichts auftaucht, sondern immer einen Grund/ Auslöser benötigt und sie müssten wissen, dass eine Depression Monate andauert und nicht nach zwei Wochen beendet ist.

Es fällt schwer zu verstehen, warum Psychiater unbedingt glauben wollen, dass jeder Patient, der über lange Zeit antidepressive Medikamente eingenommen hat und in einer stabilen Situation versucht, diese zu reduzieren, ganz plötzlich und jedes Mal unerwartet– einen „Rückfall der Depression“ erlebt.

Sind das nicht ein paar Zufälle zu viel?

Für den Patienten ist die Situation furchtbar. Jeder nicht gelungene Absetzversuch erhöht die Angst für ein Scheitern des nächsten Versuchs.

Hinzu kommt die Zeitverzögerung der Absetzsymptome der Antidepressiva hinzu: Wer die Medikamente sehr lange also, mehr als ein Jahr lang eingenommen hat – bei dem können diese schweren Absetzsymptome auch noch sechs Monate nach der letzten Tablette oder sogar noch später auftreten. Und dann glaubt der Patient häufig genug selber nicht mehr, dass ein Zusammenhang zwischen dem Absetzen und diesen fürchterlichen Entzugserscheinungen vorliegt.

Wir haben mehrfach beobachtet, dass Patienten in dieser zeitverzögerten Absetzproblematik arbeitsunfähig wurden. Dennoch hört dieses Leiden auf.

Die Abhängigkeit von Antidepressiva ist ein massiv unterschätztes Problem. Eine dauerhafte Psychopharmaka-Einnahme ist keinesfalls harmlos, sondern stark gesundheitsschädigend. Die vielleicht größte Überraschung für Patienten dürfte sein, dass im Klassifikationsbuch der Medizin, dem ICD-10 das Absetzphänomen von Antidepressiva bereits seit 2001 aufgenommen wurde – also bekannt ist. Doch kaum ein Psychiater scheint dies zu wissen. Viele verkennen die schmerzhafte Realität ihrer Patienten und glauben, dass es – auch nach jahrelangem Gebrauch – keine Absetzproblematik gibt und jeder die Medikamente innerhalb von zwei Wochen absetzen kann.  

Depression-Heute: Ganz traurig ist: Die Patienten haben sich die verschreibungspflichtigen Medikamente nicht auf den Schwarzmarkt besorgt. Sie sind in die Abhängigkeit geführt worden, weil ihr Arzt ihnen jedes Quartal die Medikamente neu verschrieben hat und die Augen vor dem Abhängigkeitspotenzial der Stoffe fest verschlossen hat.

Eine wichtige Information für die Patienten: Bei Antidepressiva-Entzug tritt häufig eine starke Zeitverzögerung auf, die mehrere Wochen oder Monate betragen kann. Das ist sehr tückisch, weil dadurch sehr häufig noch nicht einmal der Patient die Symptome mit dem Absetzen in Verbindung bringt.

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2 Comments

  1. Vielen Dank für diesen sehr gute Artikel, dennoch aus eigener Erfahrung zu 100 % bestätigen kann. Mir wurde erstmalig 2010 ein Antidepressivum verschrieben. Seither ist es trotz mehrerer Versuche nie gelungen, erfolgreich psychoharmakafrei zu werden, so dass ich dies inzwischen als das geringere Übel akzeptiert habe – AU-Zeiten kann ich mir nicht leisten. Mich würde sehr interessieren, welchen Ansatz Sie sehen, um so nebenwirkungsarm wie möglich aus dem Teufelskreis auszubrechen.
    Herzliche Grüße aus FFM

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