Ein Pilot, der seinen Psychiatern vertraute

Trauer

Die gesamte Welt zeigt mit dem Finger auf Andreas L. Ein Monster soll er sein, der kaltblütig 150 Menschen umgebracht hat. Aber ist das die ganze Wahrheit?

Trauer

Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer des Flugzeugabsturzes. Nie wieder sollte sich so ein Vorfall ereignen!

Aber was kann man dafür tun? Ärzte sollen besser vor psychisch kranken Menschen schützen, lautet eine aktuelle Forderung.

Aber tatsächlich hat Andreas L. mehrfach psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen. Es besteht der Verdacht, dass die von Psychiatern verschriebenen Medikamente einen Beitrag zur Tat geleistet haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass Psychopharmaka für einen Amoklauf verantwortlich waren.
Amokläufe und
Psychopharmaka

Anstelle von neuen ärztlichen Befugnissen benötigen wir eine Kultur der Aufklärung, in der offen über die Effizienz und die Nebenwirkungen der antidepressiven Medikamente diskutiert wird.

Es wird gefordert: Ärzte sollten uns besser vor psychisch kranke Menschen schützen. Aber ist das eine realistische Forderung? War der Co-Pilot während der Tat überhaupt depressiv?

Andreas L. war ein disziplinierter und leistungsbereiter junger Mann, dessen Traum es war, Flugzeuge zu fliegen.

Dabei muss an die Ausbildung zum Piloten erinnert werden. Diese ist anspruchsvoll und geht über mehrere Jahre. Bereits bei der Auswahl scheitern die meisten Bewerber an einem psychologischen Stresstest. Andreas L. meisterte den Test, bei dem gleichzeitig Verantwortungsbewusstsein und Führungsbereitschaft überprüft wird. Nicht nur das ist ein deutliches Indiz für seine psychische Grundgesundheit.

Während der Ausbildung, die für mehrere Monate im Ausland stattfand, entwickelte Andreas L. eine depressive Störung. Die Ursachen sind unbekannt. Bekannt ist lediglich, dass er sich zurückzog und es ihm im Verlaufe dieser Zeit gelang, vollständig zu gesunden.

Dies ist bewundernswert und verdient Anerkennung. Es ist zwar nicht bekannt, ob er bereits damals Medikamente erhielt, jedoch verhindern Psychopharmaka sehr häufig den Abschluss einer anspruchsvollen Ausbildung. Die Medikamente wirken belastend auf den Körper und das Denkvermögen. Viele Menschen, die Psychopharmaka nehmen benötigen 12 Stunden Schlaf pro Tag und sind dennoch kaum leistungsfähig.

Psychiater sagen dann häufig: „Sie müssen sich von ihrem Traum verabschieden“.

Andreas L. hat das nicht getan. Er hat gekämpft und es gelang ihm seine Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Depression-Heute geht davon aus, dass sein psychischer Zustand in dieser Zeit mehrfach überprüft wurde. Er kann daher nicht mehr unter Depressionen gelitten haben.

Einige Zeit später traten bei ihm Augenbeschwerden auf. Er bemerkte diese und suchte erneut Hilfe auf. Er ging sogar zu den „besten Ärzten“ in einem Uniklinikum.

Es benötigt nicht viel Einfühlungsvermögen, um sich vorzustellen, das das nachlassende Sehvermögen Andreas L. massiv beschäftigte. Aber es ist unwahrscheinlich, dass ihn seine Psychiater darüber informierten, dass eine Sehschwäche eine bekannte Nebenwirkung von zahlreichen Psychopharmaka ist. Grundsätzlich beschreiben Psychiater alle neueren Antidepressiva als sehr gut verträglich.

Überprüft wurde deshalb nur eine mögliche Netzhautablösung. Diese wurde nicht gefunden. Stattdessen vermuteten die Ärzte „psychosomatische Gründe“. Oder anders ausgedrückt, weitere Untersuchungen erfolgten nicht, Andreas L. wurde als Psycho dargestellt, der im Hirn nicht richtig tickt und deshalb schlecht gucken kann – eine erstaunliche und demütigende Vermutung – mit fatalen Folgen.

Was passierte nach dieser Diagnose im Kopf von Andreas L.?

Ihm stand eine Flugtauglichkeitsuntersuchung bevor, die er befürchtete, mit seiner Sehschwäche nicht bestehen zu können.

Er hat weiter versucht Hilfe zu bekommen. Neurologisch-psychiatrische Praxen aufgesucht und weitere Medikamente verschrieben bekommen.

Andreas L. tat, was viele Menschen tun. Obwohl die Behandlung überhaupt nicht anschlug und sich sein Zustand verschlimmerte, vertraute er weiterhin seinen Ärzten und nahm die von ihnen verschriebenen Medikamente ein. Er blieb in stetigen Kontakt mit ihnen, steigerte seine Mirtazapin-Dosis und auf dem Höhepunkt seiner Schlaflosigkeit verschrieb ihm sein Psychiater das aktivierende SSRI-Medikament Escitalopram.

Und dann beging der schüchterne Andreas eine Tat, die ihm niemand zugetraut hätte. Scheinbar hatte eine Wesensveränderung eingesetzt.

Es starben 150 Menschen.

Sind das nicht genügend Gründe für ein Umdenken?

Update: Weitere Informationen (auf Englisch)

Mad in america:
Piloten und Antidepressiva
     David Healy: Antidepressiva
und Flugzeugabstürze
     GB: Bewaffneter Raub
Anklage fallen gelassen wegen
Absetzerscheinungen von
Antidepressiva
     Erfahrungen der psychiatrischen
Krankenschwester Katie Tierney Higgins
(20-jährige Tätigkeit)

Depression-Heute: Was muss eigentlich noch geschehen, bevor Psychiater anfangen ihre Patienten über Nebenwirkungen aufzuklären, die Erhöhung der Suizidalität, etc. und beginnen abzuwägen, ob antidepressive Medikamente – mit ihrer geringen Effizienz – die schweren Nebenwirkungen wert sind.

Update: Erste deutsche Medien berichten kritisch über die mögliche Rolle der Medikamente.David Healy im
Telepolis-Interview 09/2015

 

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One Comment

    1. Als ich das damals im Radio gehört habe und ein paar Tage später erneut darüber berichtet wurde, diesmal mit dem Hinweis, dass er wegen Depressionen in Behandlung war, ist mir gleich ein Licht aufgegangen. Allein dieser Hinweis hat gereicht, dass ich diese Verknüpfung hergestellt habe.

      Denn ich habe damals, lange Zeit vor dem schrecklichen Ereignis in den französischen Alpen, selbst solche Gedanken gehabt, als ich unter dem Einfluss von SSRI-Antidepressiva stand. Es gab damals noch keine Infos über mögliche medikamenteninduzierte Suizidalität und Psychosen, aber ich wusste, dass diese Medikamente das bei mir auslösten. Leider konnte ich aufgrund der Wirkung selbst die Medikamente nicht von alleine absetzen, ich habe dadurch eine Art Psychose (ohne typische Symptome) bekommen, die mir befahl, dass ich mich umbringen muss, dass mein Suizid meine einzige Bestimmung im Leben sei.

      Ich habe mir sehr oft verschiedene Arten von Suizid vorgestellt, darunter auch einen Flugzeugabsturz bzw. -crash, weil das etwas ist, wo es kein Entkommen gegeben gibt, wo man sich dann nicht mehr umentscheiden könnte.

      Ich muss dazu sagen, dass die Art von Suizidalität, die durch Antidepressiva entstehen kann, sehr aufdrängend ist. Man wird regelrecht gezwungen, sich umbringen zu müssen, obwohl man das gar nicht will (Ich-fremde Suizidalität).

      Als ich während der Einnahmezeit auf Bahnschienen gegangen bin, mit der Absicht mich vor einem Zug zu werfen, bin ich im letzten Moment immer vor den Zügen ausgewichen, weil mein Überlebensinstinkt stärker war als die Wirkung der Antidepressiva (das Glück hat nicht jeder).
      Jedoch hatte ich sogar schon den Gedanken, mir Handschellen oder Fesseln aus dem Erotikshop zu kaufen, um mich damit an der Bahnschiene festzuschnallen und den Schlüssel weit weg zu werfen, damit ich nicht mehr ausweichen kann, wenn ein Zug kommt.
      Das zur Veranschaulichung wie extrem die Ich-fremde Suizidalität unter Antidepressiva sein kann.

      Diesen Zustand hatte ich ausschließlich während der Einnahme der SSRI-Antidepressiva.

      Als ich Jahre später von dem Ereignis in den französischen Alpen gehört habe, hatte ich dementsprechende Flashbacks.

      Ich bin froh, dass ich nicht die entsprechenden Möglichkeiten dazu gehabt habe. Es hätte sein können, dass ich das dann auch getan hätte. Letztendlich habe ich leider etwas ähnliches, wenn auch deutlich harmloseres getan.

      Sollte dies auf Andreas L. zutreffen, finde ich es von den Medien unverschämt, ihn als persönlichkeitsgestörten Täter hinzustellen (in einer Online-Zeitung wurde er als möglicher Narzisst, der mit der Tat die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte, dargestellt.)

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