Irrtum: Die richtige Diagnose hilft das richtige Antidepressivum zu finden

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Viele Patienten glauben, dass ein erfahrener Psychiater das richtige Antidepressivum für den jeweiligen Patienten findet. In Deutschland sind 24 Wirkstoffe – als Antidepressiva – zugelassen. Die Wirkstoffe sind chemisch sehr unterschiedlich. Alle Mittel haben die gleiche Wahrscheinlichkeit zu wirken – oder nicht zu wirken.

Fakten:

Es existiert kein Wissen darüber ob ein Antidepressivum bei einem bestimmten Patiententypen oder in einer bestimmten Situation helfen kann. Auch der erfahrenste Psychiater weiß bei seiner Verschreibung nicht, ob das von ihm ausgewählte Antidepressivum:

  • eher bei Männern, als bei Frauen           
  • eher bei Jungen, als bei Alten
  • eher bei Dicken, als bei Dünnen
  • eher bei sportlich Aktiven, als bei Unaktiven
  • eher bei gestressten, als bei tieftraurigen Patienten
  • eher bei dunkelhaarigen, als bei blonden               
  • eher bei Patienten mit mittelschweren, als bei Patienten mit leichten Depressionen

wirkt. – oder (wie leider sehr häufig) gar keine Wirkung erzielt.

Und wenn – wie so häufig – das erste Mittel keine Wirkung gezeigt hat, dann besitzt er auch kein Wissen darüber, welches zweite Mittel effizient sein könnte (das zeigten die Daten der STAR*D Studie).

Das einzige, was er im Vorfeld unterscheiden kann, ist das typische Nebenwirkungsprofil eines Medikaments – aber ob das Medikament eine Wirkung zeigen wird oder nicht – das ist jedes Mal eine Überraschung.

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Häufig wirkt ein Antidepressivum beim zweiten Mal nicht mehr

Meistens hat jeder Psychiater etwa drei Lieblingsmittel und genau diese probiert er aus.

Und während der Patient denkt, die Wahl des Mittels basiere auf Erfahrungswerten des Psychiaters, könnte der Psychiater genauso gut das ausgewählte Antidepressivum würfeln. Das Ergebnis wäre dasselbe.

Diese Zufälligkeit bei der Wahl des passenden Antidepressivums demonstriert den Unterschied zu anderen medizinischen Bereichen am deutlichsten – In keinem anderen medizinischen Bereich gibt es so wenig Anhaltspunkte für die Wahl des passenden Wirkstoffs.

Nach Ansicht von Peter Gøtzsche, Direktor des Nordic Cochrane Center in Dänemark, prädestiniert diese Unvorhersagbarkeit – auch die Unvorhersehbarkeit einer Wirkung – die Psychiatrie für Manipulationen von mächtigen Konzernen. Gøtzsche nennt die Psychiatrie „das Paradies der Pharmaindustrie“.

Tatsächlich sind Psychiater, die Antidepressiva verschreiben, die Lieblingszielgruppe vieler Pharmareferenten. Für die Patienten scheint es ja ohnehin unerheblich, welches Medikament sie verschrieben bekommen, alle wirken gleich … schlecht.

Wenn ein neues Medikament auf den Markt kommt und der Pharmareferent dem Psychiater dafür teure Restaurantessen andreht, damit er dieses Mittel verschreibt – muss sich der Psychiater – dem Patienten gegenüber – keiner Schuld bewusst sein. Denn schlechter als die anderen Mittel wird es auch nicht wirken. Und tatsächlich tut es das auch nicht.

Teure Antidepressiva – keine Verbesserung der alten Mittel

Aktuell sind die teuersten in Deutschland erhältlichen Antidepressiva <strong>Cymbalta</strong> und <strong>Ariclaim</strong> mit dem Wirkstoff Duloxetin. Die tägliche Dosis kostet <strong>12mal</strong> so viel wie die tägliche Dosis Citalopram, dem deutschlandweit am häufigsten verschriebenen antidepressiven Wirkstoff.

Ebenfalls deutlich teurer als andere Mittel ist Valdoxan mit dem Wirkstoff Agomelatin. Die Anwendung pro Tag kostet siebenmal so viel wie das am häufigsten verschriebene Antidepressivum.

Cymbalta: „Sein Vorteil soll in einer besonderen analgetischen Wirkungskomponente liegen, welche sich aber nicht bestätigen ließ. Vor diesem Hintergrund erscheint der Verordnungsanstieg schwer begründbar.“

Arzneiverordnungs-Report 2013, Lohse und Müller-Oerlinghausen 2013 S. 836

Valdoxan: „Nach den bisher bekannt gewordenen Studienergebnissen stellt auch das 2009 eingeführte Agomelatin (Valdoxan), ein Melatoninrezeptoragonist, keinen wesentlichen Fortschritt in der Depressionstherapie dar. Seine potentielle Leberschädigung bedarf einer Klärung. Die klinische Wirksamkeit scheint eher schwach zu sein. Wegen des ungünstigen Nutzen-Risikoprofils der Substanz wurde kürzlich sogar seine Marktrücknahme gefordert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung bewertet es als Mittel zweiter oder dritter Wahl.“

Arzneiverordnungs-Report 2013, Lohse und Müller-Oerlinghausen 2013 S. 837

Für die medikamentöse antidepressive Therapie sind in der BRD aktuell 24 Wirkstoffe zugelassen. Einige davon basieren biochemisch auf einem mehr als fragwürdigen Konstrukt. Trotzdem traut sich kein Psychiater diese Mittel als ineffizient darzustellen, da andernfalls auch sämtliche anderen Mittel im Vergleich zu diesem Mittel geprüft werden müssten.

Tatsächlich gibt es keinen einzigen Wirkstoff, der zuverlässig gegen eine Depression hilft – dies steht in einem klaren Gegensatz zu effizienten Medikamenten wie Antibiotika, Aspirin oder auch Viagra.

Angesichts dieser therapeutischen Bankrotterklärung wäre es sinnvoll, wenn Psychiater daraus den Schluss ziehen würde, das nebenwirkungsärmste Präparat zu verschreiben. Dann würde zumindest der ärztliche Grundsatz „dem Kranken nicht zu schaden“ (nihil nocere) Anwendung finden.

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3 Comments

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Ansari und Team,
    was Sie hier über Antidepressiva schreiben – dem kann ich allem zustimmen.
    Ich bin 57 Jahre alt, weiblich und mein ganzes Leben lang schon depressiv und Angst gestört.
    10 Ärzte mindestens, 4 furchtbare Klinikaufenthalte und naturlich Antidepressiva, Bei Fluctin angefangen als es gerade auf dem deutschen Markt als Wunderpille gelobt wurde. Die folgenden 30 Jahre habe ich so ziemlich alle neue Antidepressiva probiert mit zum Teil heftigsten Nebenwirkungen. Jetzt gerade soll ich 90 mg Cymbalta nehmen und komme seit Wochen nicht mehr aus meinem dunklen Loch. Kopfschmerzen, Magen und Darmstörungen, Schlafstörungen, heftige Träume etc etc. Sexualität findet bei mir seit Jahren nicht statt, wenn ich depressiv bin, denke ich weder ans Essen noch an Sex. Fazit ist – die Depressionen gehen nicht weg. Ich bin überzeugt diese mit ins Grab zu nehmen. Und alle, die das jetzt auf die Wechseljahre schieben wollen – wie schon gesagt, ich war schon als Kind und mein Leben lang depressiv und voller Ängste. In meiner Verzweiflung denke ich schon über Elektroschocks nach, da verliert man wenigstens ein Teil des Gedächtnisses und ich werde nicht dauernd von ängstlichen Grübeleien geplagt.
    Ihre Anerkennung der Krankheit und der Respekt den Sie uns Deppri entgegenbringen zolle ich mein Lob und herzlichen Dank. Weiter so. Nela

  2. Ja, leider hat man auch mir (55 Jahre) in den Wechseljahren, anstelle von Hormonen ein Anti Depressivum verschrieben und ich war zu unerfahren und habe mich auf die Ärztin verlassen. Ich habe das Produkt nicht in Frage gestellt. Jetzt, nach drei Jahren bin ich aus der Hölle, wieder in der Normalität angekommen. Wenn ich mich meinen Freundinnen nicht anvertraut hätte, würde ich immer noch die Antidepressiva nehmen. Mein Mann wollte aber anfangs nicht, dass ich in unserem Bekanntenkreis sage, dass ich unter Depressionen leide. Ich bin froh, dass ich mich anvertraut habe und mir meine Mädels geholfen haben. Ich nehmen jetzt traditionelle thailändische Feel Good Kräuter von khiao und mir geht es ohne Nebenwirkungen gut. Deshalb kann ich diesen Bericht nur bestätigen! Die Ärzte sind leider manchmal nicht der richtige Ansprechpartner, sondern sind auch nur auf Profit ausgelegt.

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