Lange gesund nach der ersten Depression

leuchter 2014

Sollen Therapieempfehlungen diejenige Methode auszeichnen, bei der die Patienten die längste Zeit gesund geblieben sind? Wenn das so ist, warum fehlen in der Leitlinie die wichtigen Langzeitstudien?

leuchter 2014
Die Leitlinienautoren empfehlen eine Behandlung mit Antidepressiva auf der Basis von Studien, die häufig nicht länger als vier bis sechs Wochen dauerten.
Placebos erreichen mit einer Zeitverzögerung von einer Woche dieselben Besserungswerte wie Antidepressiva.

Quelle: Placebo oder Antidepressivum
Leuchter (2014)

Eine Depression ist eine wiederkehrende Erkrankung. Selbst bei bester Vorsorge und regelmäßigen Therapiesitzungen können Ärzte und Therapeuten ein Wiederkehren der Erkrankung nicht ausschließen.

Die Frage nach der bestmöglichen Behandlung sollte deshalb einen möglichst langen Beobachtungszeitraum umfassen. Unserer Ansicht nach sollte eine Methode, die über einen Zeitraum von mindestens 12 Monate, die besten Ergebnisse hervorbringt, als Methode der ersten Wahl gelten.

Doch das passiert nicht.

Ein Blick in die Behandlungsempfehlung für Ärzte und Therapeuten (Nationale Leitlinie: Unipolare Depression) zeigt, dass dafür zwar 1571 wissenschaftliche Studien ausgewertet wurden, jedoch findet sich darunter nur eine vergleichende Langzeitstudie (Mueller et al. 1999).

Die wirklich interessanten Langzeit-Studien, in denen das Therapieergebnis von medikamentierten mit unmedikamentierten Patienten verglichen wurde, fehlen.
Wir haben die Autoren der Leitlinie bereits im August 2015 darauf hingewiesen und gefragt, warum diese aufwendigen Studien nicht für die Erstellung der Leitlinie berücksichtigt wurden:

  • Colman, I., K. Naicker, Y. Zeng, A. Ataullahjan, A. Senthilselvan, and S. B. Patten. 2011. „Predictors of long-term prognosis of depression.“ CMAJ no. 183 (17):1969-76. doi: 10.1503/cmaj.110676.
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  • Coryell, W., J. Endicott, G. Winokur, H. Akiskal, D. Solomon, A. Leon, T. Mueller, and T. Shea. 1995. „Characteristics and significance of untreated major depressive disorder.“ Am J Psychiatry no. 152 (8):1124-9.
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  • Goldberg, D., M. Privett, B. Ustun, G. Simon, and M. Linden. 1998. „The effects of detection and treatment on the outcome of major depression in primary care: a naturalistic study in 15 cities.“ Br J Gen Pract no. 48 (437):1840-4.
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  • Hughes, S., and D. Cohen. 2009. „A systematic review of long-term studies of drug treated and non-drug treated depression.“ J Affect Disord no. 118 (1-3):9-18.
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  • Mueller, T. I., M. B. Keller, A. C. Leon, D. A. Solomon, M. T. Shea, W. Coryell, and J. Endicott. 1996. „Recovery after 5 years of unremitting major depressive disorder.“ Arch Gen Psychiatry no. 53 (9):794-9.
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  • Goldberg, D.; Tiemens, B. G. und Ustun, T. B. (1999): Outcomes of recognized and unrecognized depression in an international primary care study, Gen Hosp Psychiatry (Band 21), Nr. 2, Seite 97-105.
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  • Solomon, D. A., M. B. Keller, A. C. Leon, T. I. Mueller, M. T. Shea, M. Warshaw, J. D. Maser, W. Coryell, and J. Endicott. 1997. „Recovery from major depression. A 10-year prospective follow-up across multiple episodes.“ Arch Gen Psychiatry no. 54 (11):1001-6.
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In diesen Studien beobachteten Psychiater, dass Patienten die dauerhaft keine antidepressiven Medikamente erhalten, weniger Rückfälle erlitten und seltener ihren sozialen Status verloren. Eine Diskussion kam nicht zustande.

Wir konnten deshalb auch nicht über diese Arbeit diskutieren: Quelle:  
Prins, Marijn A. et al. (2011): Outcomes for depression and anxiety in primary care and details of treatment: a naturalistic longitudinal study, BMC Psychiatry (Band 11), Nr. 1, Seite 1-9  (der Volltext ist online verfügbar). In dieser Arbeit prüften niederländische Forscher, ob leitliniengerecht behandelte Patienten weniger Rückfälle haben und eine bessere allgemeine Gesundheit aufweisen. Das Ergebnis: Nach 12 Monaten zeigt sich kein Unterschied zwischen der leitliniengerecht behandelten depressiven Patienten und denen, die nicht leitliniengerecht behandelt wurden.

Anstelle dieser Langzeitarbeiten führt die Leitlinie hunderte Veröffentlichungen auf, in denen die Behandlung mit Antidepressiva über einen Zeitraum von vier bis zehn Wochen erfolgte und in denen keine vollständige Genesung der Patienten erreicht wurde (Übersicht der Zulassungsstudien). Dafür wurde der Begriff Response erfunden, der keinem Patienten hilft.

Depression-Heute: Die bestmögliche wissenschaftliche Empfehlung für eine Therapie muss auf der Auswertung von klinischen Langzeitbeobachtungen basieren. Kurzzeitstudien gehören ausgeschlossen. Sonst müsste man annehmen, es reicht aus, wenn die Patienten am Ende der Behandlung halb gesund sind.

 

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